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Die unendliche Geschichte – Michael Ende [Revisited]

Als ich vor sieben Jahren meinen Blog begann, war die Unendliche Geschichte das erste Buch, das ich hier vorstellte. Damals war ich noch im Teenageralter, hatte bisher einmal im Leben eine Buchbesprechung geschrieben und würde erst nach einigen Monaten einen eigenen Rezensionsstil entwickeln – und ich denke, ihr stimmt mir zu, wenn ich sage, dass ich mich in den letzten 7 Jahren doch etwas weiterentwickelt habe.

Ich habe mir also die unendliche Geschichte zur Hand genommen und erneut gelesen. Der Inhalt hat sich seit damals tatsächlich nicht verändert – was natürlich sehr beruhigend ist: Bastian Baltasar Bux, ein unbeliebter Junge, der ständig gemobbt wird, stolpert in ein Antiquariat, klaut ein Buch und versteckt sich auf dem Dachboden seiner Schule, um es zu lesen. Er liest von der Welt Phantasién, in der das Nichts sich weiter ausbreitet und die Welt bedroht, erfährt davon, dass nur ein Menschenkind Phantasien retten kann, indem es der kindlichen Kaiserin einen neuen Namen gibt. Artreju hat dies nach dem Erleben einiger Abenteuer mit dem Glücksdrachen Fuchur herausgefunden. Bastian beginnt zu begreifen, dass das etwas mit ihm zu tun haben könnte und tatsächlich, er hat einen Namen parat und die kindliche Kaiserin holt ihn nach Phantasién. Er schenkt ihr einen neuen Namen und wird dabei selbst zu einer Art Herrscher über Phantasién. Er erschafft neue Gebiete und neue Wesen und all seine Wünsche – stark, mutig und geschickt zu sein – gehen in Erfüllung. Was er aber nicht bemerkt, ist, dass ihn seine Wünsche seine Erinnerungen kosten. Arteju und Fuchur versuchen ihm, das klarzumachen, dabei kommt es jedoch zum Streit zwischen ihnen. Doch klar ist, Bastian muss seinen wichtigsten Wunsch finden, um wieder aus Phantasién herauszukommen und seine eigene Welt zu retten.

Ich will versuchen, hier nicht zu viel von vor sieben Jahren wiederholen, aber ein paar Eckdaten sind notwendig. Die unendliche Geschichte ist das erfolgreichste Buch von Michael Ende, 111 Wochen stand es auf Platz 1 der Spiegel-Bestseller-Liste, länger als jedes andere Buch überhaupt. Es ist zweifarbig gedruckt, um die verschiedenen Welten darzustellen, wurde verfilmt, übersetzt und unzählige Male adaptiert – kurzum, es ist wahnsinnig erfolgreich und gilt als Klassiker moderner Jugendbuchliteratur, wenngleich die zeitgenössische Kritik den Eskapismus und die mangelnde politische Einmischung an dem Buch kritisierte.

Das Werk ist auf die verschiedensten Arten interpretiert worden – ich glaube bei kaum einem Buch gibt es einen umfangreicheren Wikipediaartikel zu den möglichen Interpretationen und Figurenbeschreibungen. Für mich ist das Buch eine Ode an die Phantasie, an die Einbildung. Man kann – wie beispielsweise bei Momo – Kritik am kapitalistischen Materialismus herauslesen und das ist sicherlich auch naheliegend. Theoretisch betrachtet haben wir es in der unendlichen Geschichte mit einem Weltenübergang zu tun. Das passiert in Kinderbüchern häufig, man denke an den legendären Kleiderschrank aus Narnia oder die vielen Bücher, in denen die Traumwelt eine neue Welt darstellt. Bastian wandelt durch die Welten, aber nicht ohne weiteres, sondern nur mit Schwierigkeiten kann das bewältigt werden. Aber dadurch, dass er es tat, hat der die Möglichkeit, die Welten zu heilen. Was können wir daraus mitnehmen? Der Ausflug in die eigene Gedankenwelt, in das Erspinnen und Erdenken eigener Geschichten ist heilsam und tut gut. Nicht nur fördert er die Kreativität, er bietet auch eine Auszeit vom auslaugenden und ausbeutenden Alltag. Doch das Verlieren in diesen Welten ist ebenso gefährlich und führt zum Verlust des eigenen Selbst. Die Balance zu finden, offen für die eigenen Gedanken zu sein und gleichzeitig in der eigenen Welt verwurzelt zu sein macht ein erfolgreiches Leben aus – so verstehe ich das Buch und das ist auch eine Message, mit der ich mich identifizieren kann.

Das Buch ist aber auch ganz fernab von jeder Botschaft einfach nur ästhetisch. Es lässt sich schön lesen, man wird emotionial abgeholt, vielleicht können sich auch viele (gerade junge, männliche) Bücherwürmer mit dem Außenseiterdasein identifizieren und das Buch spendet einfach viel Freude. Und wie vor sieben Jahren war ich nach den gut 400 Seiten traurig, mich von dieser Welt verabschieden zu müssen. Das gute ist: Man kann immer nach Phantasién zurückkehren. Ich zumindest hatte gute 7 Jahre nach dem letzten Lesen einige Sachen vergessen, mich bei einigen Sachen wieder wie zuhause gefühlt und bin erneut völlig in den Bann der Geschichte gezogen worden. In den 2000ern erschienen jedoch einige Bücher unter der Reihe „Abenteuer aus Phantasién“ als Hommage an Michael Ende. Ich bin nicht sicher, ob ich mal einen Blick wagen möchte, das könnte entweder sehr schön oder sehr furchtbar werden. Die Bücher sind größtenteils nur antiquarisch zu bekommen, aber vielleicht schaue ich mal, ob ich sie mir beschaffen kann. Denn tatsächlich bleiben an einigen Stellen noch Handlungsstränge mit dem vielsagenden Satz „Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden“ offen.

Die unendliche Geschichte war vor sieben Jahren mein Lieblingsbuch und ich bin sehr geneigt, diesen Titel auch heute wieder zu vergeben. Vielleicht ist sie nicht mehr so unumstritten an der Spitze, aber trotz allem werde ich auch heute keine andere Wertung als damals, nicht weniger als 5/5 Sternen vergeben. Lest dieses Buch. Alle.

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