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Weihnachten auf der Lindwurmfeste – Walter Moers

Es war einmal eine Buchhaim-Trilogie, die schmerzlich auf ihre Fortsetzung wartete, da kam eine schlaflose Prinzessin und stahl ihr die Show. Und war vorher sechs Jahre lang nichts aus Zamonien zu hören, ging es zwischen Mitte 2017 und Anfang 2019 Schlag auf Schlag und gleich drei Titel erschienen – das zweite davon ist „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“, ein kurzes Büchlein, das die Übersetzung eines Briefs von Hildegunst von Mythenmetz darstellt, den er an einen befreundeten Buchhändler schrieb, um ihm von Hamoulimepp, einem jährlichen Fest zu erzählen, das nur in der Lindwurmfeste gefeiert wird.

Einige Bräuche dieses Festes ähneln erschreckend dem hiesigen Weihnachtsfest, weshalb der ‚Übersetzer‘ Moers uns dieses Bändchen hat angedeihen lassen. Moers sagt selbst in einem Interview, er sei kein besonderer Freund von Weihnachten und so legt er seinem Alter Ego einen Verriss sondergleichen in den Mund. Dabei entfernt sich das Hamoulimepp hinreichend weit von Weihnachten, um interessant zu bleiben, ist aber gleichzeitig so nah daran, dass man die Anspielungen größtenteils erkennt. Mythenmetz schimpft über die grauenvolle Musik, die sinnlose Völlerei, seltsame Traditionen und nennt das Fest eine Schande für die Dicherkultur der Lindwürmer, wenngleich er einige literarische Traditionen des Festes, wie den großen Büchertausch am Ende oder die Idee, auf Schneckenhäuser kleine Gedichte zu schreiben, schätzt. Das finale Feuerwerk lässt ihn dann aber doch sentimental werden, was ein wenig an eine Aussage von Hercule Poirot erinnert: „Weihnachten ist in meiner Heimat ein Fest für Kinder. Wir Erwachsenen feiern hauptsächlich den Jahreswechsel“.

Der Brief ist durch ein gutes Dutzend ‚taxonomischer Tafeln‘ illustriert, die die angesprochenen Gegenstände bzw. Traditionen durch einige Beispiele illustrieren. Ihm geht ein Vorwort des Übersetzers voraus, im Buch befindet sich zudem noch eine Leseprobe des Autors. Und hier setzt auch schon meine größte Kritik an dem Buch an: Es ist ziemlich kurz. Es ist großformatig, durchgängig illustriert und der Brief ist auch hübsch inszeniert, auf einer Art Briefpapier mit einer Brieftypischen Schrift (vergleichbar vielleicht mit Gregs Tagebuch in Erwachsen). So passt natürlich verhältnismäßig wenig auf eine Seite – und es sind auch gerademal 50 Seiten, die der Brief umfasst. Mit den taxonomischen Tafeln und dem Paratext bleibt die Seitenzählung dann bei 112 stehen, aber es verdichtet sich doch der Eindruck, dass das überwiegend geschah, um den stolzen Preis von 15€ zu rechtfertigen. (Update: Aktuell ist das Buch für 7,99€ erhältlich – für die Ausstattung ist das ein guter Preis!) Natürlich, die Ausstattung ist edel, Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen, Schutzumschlag in typischer Moers-Textur – aber für den Inhalt ist das doch etwas viel. Selbst mit ausführlicher Betrachtung der Tafeln und gutem Studium des Paratexts bleibt doch nur ein Lesevergnügen von einer guten Stunde übrig. Zudem die taxonomischen Tafeln, die von Lydia Rohde gestaltet wurden, zwar hübsch anzusehen sind, aber im Wesentlichen nur verschiedene Varianten eines Motivs darstellen. Da sind dann eben neun Felsengeiereier in verschiedenen Farben abgebildet. Hübsch anzusehen, der Mehrwert gegenüber einer einzelnen Illustration im Text ist jedoch eher gering.

Es ist definitiv ein Buch für Liebhaber, für Sammler von Moers. Die Geschichte des Briefs ist nicht schlecht, er liefert noch einen kleinen aber spannenden weiteren Baustein aus der Welt Zamoniens, aber als eBook-Single für 0,99€ und/oder Bonusmaterial einer Neuausgabe eines alten Moers wäre der Text vermutlich besser aufgehoben. Unter diesem Eindruck freue ich mich auf den Bücherdrachen, zu dem mich die Leseprobe durchaus anfixen konnte, bleibe bei diesem Bändchen aber leider nur bei 3/5 Sternen stehen. Für ein eigenes Buch ist das dann doch etwas dünn.

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