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Ein deutsches Klassenzimmer – Jan Kammann

Jan Kammann ist ein Lehrer aus Hamburg. Er unterrichtet Englisch und Erdkunde und hat das auch schon 2015 getan, in einer Zeit, in der viele Geflüchtete nach Deutschland kamen und deren Kinder dann wie selbstverständlich auch auf die Schule gingen. Sie wurden zunächst in sogenannten Intensiv- oder Willkommensklassen auf die Regelklassen vorbereitet. Jetzt, im Juni 2023, wo ich diese Zeilen schreibe, gibt es solche Klassen wieder an den Schulen, allerdings sind derzeit die meisten Kinder aus der Ukraine.

Als Jan Kammann diese Klassen unterrichtet hat, kamen die Kinder aus vielen verschiedenen Ländern. Als eines seiner Kinder, das aus Bulgarien kam, nach den Ferien noch nicht zurück war und eine Verspätung auf der Busreise angibt, nimmt er das zum Anlass, selbst mal mit dem Bus nach Bulgarien zu fahren – und er merkt, dass sich diese Busreise ein wenig von dem Komfort eines Linienfliegers unterscheidet. Stundenlange Landstraßenumwege, Pannen kurz vor dem Ziel, ein insgesamt nicht wirklich komfortabler Bus und gute vierzig Stunden Fahrtzeit für 2000km. Inspiriert von diesem Ausflug lässt sich Jan Kammann von seinen internationalen Schüler:innen kleine Reiseführer für ihre Heimatländer schreiben, nimmt sich ein Sabbatical und bereist diese Länder. Zumindest einige von ihnen. Unter anderem ist er im Iran, in Armenien, Georgien, im Kosovo, in Albanien, in Polen, in Italien, Kuba, Kolumbien, Südkorea und Ghana sowie in einigen anderen Ländern. Er erzählt in dem Buch von seinen dortigen Erlebnissen, erzählt seine Reiserouten, von interessanten Begebenheiten und wertvollen Erfahrungen.

Ich muss an dieser Stelle zugeben: Meine Referenz für Reiseberichte sind die von Bill Bryson. Informativ, mit eingestreuten Anekdoten und Hintergründen und sehr witzig. Das Buch von Jan Kammann ist nichts davon. Das klingt jetzt etwas hart und ist gar nicht so negativ gemeint, wie es klingt. Ich hatte viel Spaß mit dem Buch. Es war interessant, Jan Kammann auf seiner Reise zu begleiten und er schafft es, die wechselvollen Erfahrungen, die er macht, gut zu vermitteln. Immer wieder nimmt er Bezug auf die kleinen Reiseführer seiner Schüler:innen und versucht das Leben der Schüler:innen zu verstehen.

Was mir allerdings gefehlt hat, sind die wirklich neuen Einsichten, die Reflexionsmomente, bei denen man das Gefühl hat, dass die Reise etwas mit Kammann gemacht hat. Streckenweise sieht man das, so bei einem Besuch einer semi-illegalen Mädchenschule und im Gespräch mit den dortigen Lehrerinnen oder bei einem Gespräch  – ich glaube Iran? – über westliche und östliche Philosophen und wie wenig er von den östlichen, wie viel sein Gesprächspartner aber von den westlichen Philosophen weiß. Den Rest des Reiseberichtes ist es mehr ein Staunen über die Fremdartigkeit und ein Suchen nach vergleichbaren Mustern. Dazu liefert Kammann auch nicht mehr Hintergründe als die, die er selbst beim Besuch des Landes hatte – man hat streckenweise das Gefühl, dass er sich vorher nur über die Reiseführer seiner Schüler:innen informiert hat und auch die Erlebnisse nicht nochmal in einer journalistischen Art und Weise nachrecherchiert hat. So bleibt es sehr stark auf der Ebene des Subjektiven verhaftet und schafft nicht immer die Einordnung, die man sich von einem Lehrer gewünscht hätte.

Nichtsdestotrotz ist das Buch eine sehr spannende Lektüre und ich empfehle es gerne weiter. Es ist mehr ein Erfahrungebericht über eine Weltreise, die von seiner Klasse ausgelöst wurde. Die Reisen haben an sich wenig mit den Schüler:innen zu tun. Dennoch erweitert das Lesen über Reisen immer den Horizont – wie es auch dieses Buch tut. Noch dazu ist es für gerademal 4,50€ von der Bundeszentrale für politische Bildung zu beziehen. Ich gebe dem Buch insgesamt gerne 4/5 Sternen.

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