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Dracula – Bram Stoker

Der Roman Dracula von Bram Stoker ist der Referenzpunkt jeglicher Horrorliteratur überhaupt. Ich will nicht sagen, dass es die erste Gruselgeschichte ist, die deutschen Romantiker haben schon um 1820 herum ziemlich düstere, gruselige Geschichten geschrieben; auch Frankenstein ist gute 70 Jahre älter als der hier vorliegende Roman. Trotzdem kommt man an Dracula nicht vorbei.

Es beginnt mit dem jungen Anwalt Jonathan Harker, der von einem Graf Dracula nach Siebenbürgen (auch als Transsilvanien bekannt) bestellt wird. Er solle dort einige Angelegenheiten für ihn regeln, er wolle ein Haus in London kaufen. Schon auf dem Weg zu ihn reagieren alle Menschen seltsam, denen er von seinem Ziel erzählt. Dort angekommen entpuppt sich der Graf zunächst als etwas exzentrisch – so darf Harker gewisse Räume nicht betreten und die Burg für einige Tage nicht verlassen. Er beobachtet dann immer ungewöhnlichere Eigenheiten: Der Graf hat kein Spiegelbild und kann – ähnlich wie eine Eidechse – einfach an der Burgwand hochklettern. Als er dann, neugierig, wie er ist, einen verbotenen Raum betritt und dort einschläft, kommen drei Frauen, die ihn beißen wollen. Dracula hält ihn davon ab und wirft ihnen ein gefangenes Kind vor. Nur mit viel Glück gelingt Harker die Flucht aus der Burg.

Hier enden die berühmten ersten Kapitel – doch eigentlich beginnt hier erst die Geschichte. Es folgt die Ankunft des Schiffes aus Siebenbürgen, bei dem jedoch die gesamte Besatzung fehlt und nur ein schwarzer Hund entflieht. Die Freundin von Harkers Frau erkrankt an Schlafwandeln und hat plötzlich zwei Male am Hals. Der befreundete Leiter einer Psychiatrie Dr. Seward schaltet einen niederländischen Gelehrten, Prof. van Helsing ein, der vom Vampyrismus schon gehört hat und sich der Gruppe anschließt, um Dracula zu besiegen. Eine wilde Jagd durch Europa, die nicht immer glimpflich ausgeht, entfaltet sich auf den gut 500 Seiten des Buches.

Und ja, 500 Seiten. Sehr dichter Text. Denn das Geschehen wird nicht direkt erzählt, sondern nur berichtet. Über die Form muss ich unbedingt erzählen. Es gibt keine durchgängige Erzählinstanz, das gesamte Buch ist aus Tagebucheinträgen, Briefen und Berichten collagiert. Das verdichtet die Handlung ungemein, weil natürlich dort bereits rückblickend und zusammenfassend erzählt wird. Hinzu kommt, dass diese Erzählperspektive für Spannung sorgt, weil man immer nur eine Perspektive geschildert bekommt und sich Hintergründe oft erst im Nachhinein ergeben. Beim Lesen führt es aber auch dazu, dass man immer mal wieder kurz durchatmen und sich der Erzählsituation vergegenwärtigen muss.

Ich muss zugeben, ich kannte vor dem Lesen so grob den Inhalt der berühmten ersten Kapitel und war dann beim Lesen von der Komplexität und Raffinesse der Vampirjagd überrascht. Fast schon mit wissenschaftlichen Methoden geht der Herr Professor hier vor und schafft es so, das allerschlimmste zu verhindern. Es ist schon absolut nachvollziehbar, warum das Buch damals mit „Für Schwachnervige ist es jedoch keine Lektüre“ beworben wurde. Wenngleich natürlich Dracula in Buchform heute wohl nur noch wenige Leute in Angst und Schrecken versetzt – einfach weil wir mit dem Vampirmotiv entsprechend vertraut sind und sich das Horrorgenre deutlich weiterentwickelt hat – eine spannende Lektüre ist das Buch bis heute. Wer sich also auf die heutzutage recht selten gewordene Form einlässt, den erwartet mit Dracula nicht nur eine Rückbesinnung auf den Ursprung des Horrorgenres, sondern auch davon unabhängig ein spannendes, actiongeladenes Buch, das viele Rätsel aufgibt und sie nicht immer nur positiv auflöst.

Was die Ausgabe angeht: Ich hatte die Ausgabe von Fischer Klassik, die von Heinz Widtmann übersetzt wurde und um ein bisschen Anhang ergänzt wurde. Der Anhang war nützlich und lieferte eine schöne Einordnung, an der Übersetzung ist mir nichts negativ aufgefallen. Die Übersetzung ist von 1908 und damit als erste deutsche Übertragung stilistisch also recht nah an der Entstehungszeit. Mir hat das gut gefallen, ich kann also meine Ausgabe weiterempfehlen, aber ich denke, zur Lektüre eignen sich auch andere und preiswertere Ausgaben.

Ich gebe Dracula volle 5/5 Sternen und kann das Buch nur uneingeschränkt weiterempfehlen. Ja, es ist etwas gruselig und spannend, aber ich denke auch Menschen, die nicht so gerne Horrorfilme zum Abendessen schauen, kommen bei dem Buch auf ihre Kosten.

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