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Der Daumen des Ingenieurs – Arthur Conan Doyle

Diesmal ist es Watson, der einen neuen Fall aufspürt. Ein junger Ingenieur kommt zu Watson in die Praxis, weil er, wie er sagt, bei einem Mordanschlag auf ihn, einen Daumen verloren hat. Da die Umstände durchaus merkwürdig sind, schaltet er sofort seinen Freund Sherlock Holmes ein, dem er dann die ganze Geschichte erzählt.

Ein Herr kam in sein eher schlecht laufendes Ingenieursbüro und bat ihn, für enorm viel Geld, einen Auftrag auszuführen. Und zwar gehe es darum, bei einer Maschine zu überprüfen, warum sie nicht mehr so gut funktioniere. Bemerkenswert sind die Umstände. Vom Ingenieur wird absolute Diskretion verlangt, er soll mit dem letzten Zug zu einem bestimmten Bahnhof fahren, werde dort abgeholt und könne dann am nächsten Morgen zurückfahren. Es gehe um ein sehr seltenes und teures Element, das dort abgebaut werde, von dem aber niemand etwas erfahren dürfe. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch aber von der versprochenen Summe verführt, nimmt er den Auftrag an, fährt dorthin und wird tatsächlich abgeholt und durch die Gegend gefahren. Einen Moment muss er warten, doch eine Frau warnt ihn, er solle lieber die Beine in die Hand nehmen und um sein Leben laufen. Er schlägt diese Warnung in den Wind und schaut sich die Maschine an – und findet nach kurzer Zeit den Grund für ihre mangelnde Funktionalität. Doch als er sich dann die Maschine noch etwas genauer anschaut, setzt sie sich auf einmal über ihm in Bewegung und droht, ihn zu zerquetschen. Die Frau rettet ihn und es kommt zu einem tragischen Showdown, bei dem ihm die Flucht aus dem Fenster gelingt, jedoch nur mit einem fehlenden Daumen. Er findet sich nach einer Ohnmacht am nächsten Morgen am Bahnhof wieder und sucht sofort einen Arzt auf. Sherlock Holmes gelingt es dann kurzerhand, den Fall zu lösen, dank der Erinnerung an einen vorausgegangenen Fall.

Yeah, Watson spielt eine aktive Rolle, in der seine Kenntnis als Arzt ihm zu Gute kommt. Klar, seine Rolle beschränkt sich darauf, den Fall zu requirieren, aber ich fand es sehr schön, dass mein persönlicher Held des Geschehens hier endlich mal etwas zu tun bekommt. Ansonsten befasst sich dieser Fall mal nicht mit Beziehungstaten, sondern ein anderes Motiv steht im Vordergrund – und ich fand, der Fall war auch sehr spannend und fesselnd angelegt. Kein locked-room, keine klassische Aufklärung in Beisein der Täter, sondern eine lange Erzählung, der die Aufklärung quasi am Ort des Geschehens folgt. Ich muss zwar sagen, dass ich niemals auf das wahre Motiv gekommen wäre, es aber sehr schön eingeflochten finde.

Der Spannungsbogen ist hier sehr interessant gestaltet. Man weiß schon lange vorher, was passiert ist und wie es dazu kam, aber das Motiv bleibt unklar bzw. wird durch eine Scheinbehauptung verschleiert. Damit ist eigentlich nur ein einziges Wort die Auflösung – aber die Schilderung des Ingenieurs selbst trägt einen großen Teil der Spannung mit sich. Oft sind diese Schilderungen eher die Erklärung von langwierigen Hintergründen, hier fand ich sie ganz besonders spannend und merkwürdig. Ich mag solche Geschichten mehr als die klassischen Beziehungstaten und vergebe daher auch gut und gerne 4,5/5 Sternen für eine großartige Kurzgeschichte – eine, die man wirklich gerne mal lesen kann, wenn man sich einen kurzen Überblick über Sherlock Holmes verschaffen möchte – denn seine klassische Methode wendet er natürlich auch in diesem Fall an und sorgt für einige unerwartete Wendungen.

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