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Romanfresser im Theater: Prinz Friedrich von Homburg

Heute gibt es im Rahmen dieses kleinen Weihnachtsprojektes eine Besonderheit. Ich spreche über ein Theaterstück, welches ich bereits als Buch hier auf dem Blog rezensiert habe – ich las das Buch kurz nach meinem Theaterbesuch und schon damals hatte ich in meiner Rezension den Theaterbesuch kurz angesprochen. Über den Inhalt des Stückes hatte ich an dieser Stelle schon gesprochen, die Geschichte des Prinzen, der etwas übermütig in der Schlacht ist und dann erhängt werden soll, aber dann von seinem Heer unerwartete Solidarität erfährt, ist in der dortigen Rezension nachzulesen. Heute soll es daher um die Umsetzung in Darmstadt gehen.

Ich hatte euch versprochen, etwas über die Kammerspiele zu erzählen. Fast jedes größere Theater hat so eine Studiobühne, einen kleinen Raum im Keller mit ebenerdiger Bühne, auf der ein paar Tribünen aufgebaut sind, und der in verschiedensten Formen bespielt werden kann. Unendlich viele Scheinwerfer an der Decke ermöglichen dies. Typischerweise werden in diesen kleinen Bühnen immer die etwas ausgefalleneren Stücke präsentiert, für oftmals geringen Eintritt kann man erleben, wie neue Stücke ausprobiert werden, moderne Inszenierungen, neue Konzepte und Ideen, völlig abgefahrene oder auch total unverständliche Stücke kann man hier erleben. Ich erinnere mich an ein Stück, das fast völlig ohne Sprache auskam und nur aus Lauten und Gesten bestand. Sowohl minimalistische Bühnendekoration als auch völlige Materialschlachten kann man dort erleben, aber zumeist sind es immer irgendwelche Extreme, die dort, in kleinerem Kreis, präsentiert werden.

Jetzt kommt ein durchaus klassisches Theaterstück, man engagiert sich mit Samuel Koch einen sehr bekannten Schauspieler, steckt diesen in die Hauptrolle und wundert sich dann, warum das Stück, zu dem man sogar noch eine zweite Tribüne dazugestellt hat, ein Dutzend Mal ausverkauft ist. Und das in den Kammerspielen!

Warum eigentlich? Die Inszenierung ist gar nicht mal so übertrieben modern. Also kein Sex auf der Bühne, nichtmal Rindenmulch. Sondern eher einen Samuel Koch, dessen Querschnittslähmung zum Charakterzug des Prinzen wird. Samuel wird von seinen Mitspielern aufs Pferd, über die Bühne und in die verschiedenen Szenen getragen. Und so wird aus der körperlichen Einschränkung geradezu ein versinnbildlicher Charakterzug. Denn Prinz Friedrich ist keineswegs selbst aktiv handelnder, er ist nicht derjenige, der Entscheidungen trifft, der die Fäden seiner Geschichte in der Hand hat, ganz im Gegenteil, er ist Getriebener und wird in die Schlacht getragen, trifft die falsche Entscheidung auch nicht wirklich selbst, sondern handelt in Unwissenheit und als Folge der Uninformiertheit und Getriebenheit und schafft es bis zum Ende nicht wirklich, sich als Handelnder zu emanzipieren.

Leider hatte die Inszenierung das Problem, dass sie von dieser wirklich genialen Grundidee, die wie auf Samuel zugeschnitten scheint, abgesehen, nicht viel zu bieten hat. Die anderen Schauspieler machen ihre Sache sicherlich gut und routiniert, aber bekommen einfach keinen Raum, um sich zu entfalten. Die Inszenierung bleibt insgesamt einfach sehr flach und unauffällig und so war ich von diesem Stück nicht wirklich begeistert. Es ist sicherlich für Schulklassen sehr schön, weil man an dem Stück unglaublich viel Dramentheorie festmachen kann – und ich weiß, dass diese Lektüre auch hier in Hessen regelmäßig als Pflichtlektüre fürs Abitur eingesetzt wird, folglich war das Publikum des Stückes auch sehr von Schulklassen geprägt. Aber so insgesamt war das ein Theaterabend, dessen Grundidee absolut phänomenal ist, aber mich ansonsten nicht vom Hocker hauen konnte.

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