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The Standard of Living – Dorothy Parker

Der Name Dorothy Parker kam mir durchaus bekannt vor, wenngleich ich kein konkretes Werk mit ihm verbunden habe. Sie ist eine recht bekannte amerikanische Schriftstellerin, die überwiegend Lyrik und Kurzgeschichten veröffentlicht und Drehbücher geschrieben hat, einen Roman hat sie nie vollendet. Die hier vorliegende Kurzgeschichte wurde tatsächlich übersetzt, ihr deutscher Titel lautet „Der Lebensstandard“. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es gar nicht einfach ist, deutschsprachige Informationen über diese Geschichte zu finden, obwohl die Geschichte im amerikanischen Raum offenbar häufig als Schullektüre herhalten muss.

Die Geschichte selbst ist schnell erzählt. Zwei Stenotypistinnen gehen durch die Stadt und spielen das „Was würdest du mit einer Million Dollar machen“-Spiel. Sie müssen allerdings jeden Cent für sich selbst ausgeben. In einem Schaufenster entdecken sie eine Perlenkette und denken darüber nach, diese zu damit zu kaufen – beim Schätzen des Wertes liegen sie allerdings weit daneben, denn wie der Ladeninhaber ihnen erklärt, liegt der Preis nicht bei angenommenen 1000 Dollar, sondern bei einer Viertelmillion. Etwas davon überwältigt beginnen sie eine neue Runde des „Was würdest du mit zehn Millionen Dollar machen“-Spiels.

Ich habe ja ein wenig recherchiert und man findet in den englischsprachigen Hausaufgabenhilfeseiten einige Interpretationsansätze, die sich teilweise sehr detailliert mit dem Verhältnis der Figuren, ihrem Materialismus und Hedonismus auseinandersetzen und den Kontrast zwischen den fleißigen, korrekten Stenotypistinnen, die mit ihrem Einkommen ihre Familie unterstützen und dem träumerischen Materialistinnen darstellen. Dem Gedankenspiel, was man mit einer hohen Geldsumme machen würde, hat sich aber wahrscheinlich fast jeder schon mal hingegeben.

Interessant finde ich besonders das Verhältnis der Frauen zur Großstadt. Sie sind sich bewusst, dass echte Perlen sehr teuer sind und 1000 Dollar sind scheinbar das Höchste, was für sie greifbar ist. Bei ihrem Wochenlohn müssten sie dafür über ein Jahr arbeiten.  Die Million Dollar übersteigt ihre Vorstellungen so ungemein – sie liegt bei dem Tausendfachen dessen, was für die zwei schon nicht mehr greifbar ist, weshalb es auch kein Problem ist, den Betrag an die Realität des doch viel teureren Großstadtluxus anzupassen. Die extremen sozialen Unterschiede werden hier, ohne dass es explizit Thema ist, wie ich finde sehr fein und artistisch herausgearbeitet.

Dabei leben die beiden scheinbar gar nicht in Armut. Sie leben zuhause, geben die Hälfte ihres Lohns zuhause ab, aber Lippenstift und Nagellack sind für sie keine Fremdwörter; trotzdem ist die Situation, in der sie sich befinden, prekär. Sie arbeiten ungebührlich viel, können sich davon keine Wohnung leisten, geschweige denn eine Familie ernähren und das Leben in der Großstadt ist maximal weit von ihnen entfernt.

Ich weiß nicht so genau, was ich von der Geschichte halten soll. Sie ist großartig geschrieben, und in ihrer Alltagsbeobachtung präzise und überraschend konkret. Ob ich sie jetzt unbedingt als deutsche Schullektüre empfehlen würde, weiß ich nicht, zumal man sicherlich zum tiefen Verständnis etwas mehr Hintergrundwissen aus dem Leben in New York im 20. Jahrhundert braucht – Hintergrundwissen, das ich leider auch nur in Ansätzen habe, sodass ich die eigene Lektüre der Geschichte empfehle. Je nach Ausgabe sind es auch nur drei Seiten.

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