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Lyrikfresser: Himalaya von Dschinghis Khan

Ich hatte neulich einen seltsamen Ohrwurm, der mich dazu gebracht hat, mein eigenes Blog-Imprint ‚lyrikfresser‘ wiederzubeleben. Meine Eltern hatten eine Best of Dschinghis-Khan CD und wie es bei einer Band mit zirka drei erfolgreichen Liedern ist, wurde diese CD mit allen nicht gecharteten Singlen aufgefüllt, darunter auch ‚Himalaja‘, 1983 erschienen, rotierte kurz in den Airplay-Charts, konnte sich aber nicht in den Single-Charts platzieren – das zugehörige Album übrigens auch nicht. Der Zenit war überschritten, Ralph Siegel und Bernd Meinunger haben sich für dieses Lied, das übrigens so ähnlich wie Nicols „Ich hab dich doch lieb“ aus dem selben Jahr klingt, auch nicht wirklich ins Zeug gelegt. Ich nutze jetzt mal für die Besprechung ein Format, dass ich mir vom lieben Bodenski abgeschaut habe – ich hoffe, er nimmt es mir nicht übel.

Über die Musik will ich hier gar nicht viel erzählen verlieren – es ist Schlager-Pop, das ist und bleibt Geschmackssache.

Basislager, morgens um vier
Kalter Atem, der zu Eis gefriert.
Himalaja – die Sonne geht auf
Und zwei Männer wollen hoch hinauf
Dorthin wo noch niemand war – der Gipfel ist nah.

Nach Moskau und Rom nehmen sich die Pseudo-Mongolen also mal wieder ein geographisches Thema vor. Gerademal 32 Wörter reichen hier für eine Strophe. Bernd Meinunger schafft es aber mit den ersten zwei Zeilen eine Stimmung aufzubauen, die die Situation des Songs rahmen. Wir sind oben an einem der legendären 8000er, zwei Männer auf dem Weg nach oben, um das ultimative Freiheitsgefühl zu erfahren. Diese Sehnsucht treibt sie kompromisslos an. Die Reime sind nicht wirklich kunstvoll. Vier auf gefrier(t) ist noch ganz nett, auf und hinauf sowie wa(r) und nah sind aber so banal, dass wir lieber schnell weiterschauen.

Himalaja ist der alte Traum
Dort oben völlig frei zu sein.
Himalaja ist der wilde Rausch
Der Kampf mit Sturm und Dunkelheit.
Himalaja ist die Einsamkeit (Himalaja)
Der Frieden dort wo niemand war (Himalaja)
Himalaja, wer die Angst besiegt (Himalaja)
Der ist dem Himmel nah.

Der Refrain ist länger als die Strophe! Davon zwar siebenmal Himalaja, das konsequent falsch ausgesprochen wird. Vor allem prügelt aber der Refrain die tolle erste Strophe nieder. War da noch eine ganz bestimmte Stimmung mit einer ganzen Geschichte, die in zwei Dutzend Worten erzeugt wird, ist es hier Geprügel. Alle Deutungsideen der ersten Strophe werden hier schonungslos offengelegt. Traum von Freiheit, Adrenalinrausch, gegen alle Gefahren, Sieg gegen die Angst. Und das auch noch schlecht gereimt. Dass das ziemlich auf Mitsing- und -klatschbarkeit getrimmt ist, muss nicht erwähnt werden.

Gipfelstürmer – was ist der Preis
Für die Sehnsucht, die dein Herz zerreißt?
Immer höher gegen den Wind
Und vom grellen Schnee die Augen blind.
Plötzlich schlägt das Wetter um
Und dann kommt der Sturm.

Preis auf zerreiß(t) ist der beste Reim bisher! Wind und blind gehen auch in Ordnung und die letzten beiden Verse hätte ich erst gar nicht gereimt, um ihre besondere Stellung auszudrücken. Hier haben wir es eigentlich mit der Klimax der Geschichte zu tun. Die beiden Männer sind aufgebrochen, kämpfen gegen den Schneefall und auf einmal zieht ein Sturm auf. Auf dieser Höhe sind die Gewitter nicht mehr vorhersagbar und jeder, der aufbricht, ist sich dieser Gefahr bewusst. Hier ist es nun passiert.

Einer kehrt um Einer bleibt zurück
Aber der Berg bleibt ungerührt und unbesiegt.

In der Bridge dann die Auflösung. Einer ‚survived to tell the tale’, die Mythenbildung über den Berg wird weitergehen, er ist ungeschlagen, einer ist dem Berg zum Opfer gefallen. Ich verstehe den Reim wohlwollen als ‚zurück‘ auf ‚ungerührt‘, dann steht der Nachsatz ‚und unbesiegt‘ sozusagen als grande finale am Ende des Textes.

Bernd Meinunger sagte mal über seine Texte, dass der Text außer der Titelzeile nur Füllmaterial und gleichzeitig, wie viel Spaß es mache, für Dschinghis Khan zu schreiben, da man dort nie eine Botschaft transportieren musste. Dieser Song hat in meinen Augen einen wirklich schwachen Refrain, aber starke Strophen. Er erzählt eine gute Geschichte – ohne Message aber in den Strophen durchaus mit Atmosphäre. Wenn das 4/4 Hintergrundgegrummel vom Schlagzeug nicht wäre, kämen fast Emotionen auf. Aber leider ist die Bridge musikalisch so furchtbar, dass sie den schönen Text ziemlich kaputt macht. Schade, aber ein interessantes Studienobjekt für uns.

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