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It’s Teatime My Dear – Bill Bryson

Bill Bryson ist ja eigentlich ein Reiseschriftsteller. Witzigerweise hat er in den letzten 15 Jahren keinen Reisebericht mehr verfasst. Seine Werke “Picknick mit Bären” und “Frühstück mit Kängurus” sind sehr gute und wundervoll witzige Werke, die Bryson auch bekannt gemacht haben. Und nun hat er es erneut getan. Okay, wenn diese Rezension veröffentlicht wird, ist diese Buch auch schon seit fast 5 Jahren auf dem Markt. Und es ist auch nicht so wirklich ein Bericht über eine Einzelreise, viel mehr geht Bryson über einige Monate hinweg auf die Reise durch sein eigenes Land. Oder eigentlich durch eines seiner Länder, denn der gebürtige Amerikaner lebt inzwischen seit 1973 in England, kehrte jedoch zwischendurch für einige Jahre in die Staaten zurück.

In diesem Buch reist Bryson durch England und er nutzt für seinen Streifzug die selbst gezeichnete Bryson-Linie, bei der er versucht hat, eine möglichst lange Linie durch die Landmassen der Britischen Insel zu ziehen, weshalb er in Cape Wrath beginnt und dann bis Bonor Regis reist. Neben den großen Städten, die recht nah links und rechts dieser Linie liegen bereist er auch viele kleine Orte, sucht sich die etwas kuriosen kleinen Orte und die verschiedensten kleinen Sehenswürdigkeiten aus und lässt die großen Touristenhochburgen bewusst aus. Stationen dieser Reise sind neben Oxford und Cornwall eben auch East Anglia, den Peak District oder Devon, Orte, von denen ich noch nichts gehört habe.

Mein erster Gedanke beim Lesen war: Bryson hat das Reisen nicht verlernt. Und er kann noch immer über witzige Begebenheiten schreiben. Das beginnt mit amüsanten Anekdoten von der Reise, wie er sich auf Bus- und Zugfahrten völlig blamiert oder sich hoffnungslos verfährt, verhält sich völlig unangebracht und erzählt Erlebnisse von seltsamen Hotels und anderen Absteigen. Insofern hat sich an seinem Schreibstil, über den ich schon in vielen anderen Rezensionen von Bryson-Titeln geschrieben habe, wenig verändert. Er erzählt aber in diesem Buch auch viele Hintergrundinformationen über die Orte und, was mir sehr aufgefallen ist, er geht sehr stark auf die Geschichte der Orte ein. Das ist jetzt nicht unbedingt eine 400-Seiten starke ‘Früher-war-alles-besser’-Litanei, allerdings kann man doch solche Züge in dem Werk finden. In vielen Orten berichtet er vom zunehmenden Verfall und wie sie auch durch die britische Regierung heruntergewirtschaftet wurden. Nebenher erfährt man noch einige nette Details über das britische Regierungssystem, was gerade angesichts des Brexits, zu dem Bryson noch ein etwas entsetzt klingendes Nachwort zur Taschenbuchausgabe mitliefert, ein interessantes Licht auf Großbritannien wirft.

Insgesamt merkt man dem Buch auch an, dass Bryson hier über ein Land schreibt, das er als Heimatland bezeichnet – nicht zuletzt beginnt das Buch mit seinen Erfahrungen beim Einbürgerungstest. Er geht ziemlich viel ins Detail, was manche Hintergründe angeht und erzählt von geplanten politischen Projekten, der schwachen Organisation von Gedenkstätten und wie irritierend manchmal eigentlich bedeutsame Erinnerungsorte touristisch kaum genutzt werden, während an anderen, trivialen Kulturdenkmälern riesige Kampagnen Besucherströme erzeugen.

Wer diesen Blog liest, weiß, dass ich von Bill Bryson schon etliche Bücher gelesen habe. Und ich kann selbstverständlich auch dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Allerdings vielleicht mit der Einschränkung, dass man Brysons Schreibstil mögen sollte und ihm verzeihen sollte, dass man ihm anmerkt, dass er nicht mehr so jugendlich wirkt wie in den ersten Büchern. Dennoch gebe ich gerne 4,5/5 Sternen, nicht nur, weil das Buch einem die Chance gibt, die doch etwas seltsamen Nachbarn von der Insel kennenzulernen, sondern auch weil es sehr unterhaltsam ist.

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