Permalink

0

Earthly Remains – Donna Leon

Dass Donna Leon wie ein Uhrwerk schreibt, ist keine Neuigkeit. Schon seit den frühen Tagen dieses Blogs begleiten mich die Brunetti-Romane immer mal wieder – mittlerweile habe ich schon den sechsten dieser Romane gelesen. Ich glaube, ich habe nicht für einen davon den vollen Preis bezahlt, denn auch diesen Band habe ich aus einem modernen Antiquariat für läppische zwei Euro mitgenommen. Es ist der aktuellste Band bis dato, erst im im Mai erscheint der nächste Brunetti-Band auf Deutsch. Und obwohl es nicht mein Ziel ist, sämtliche Bände der Reihe zu lesen, nehme ich immer wieder gerne einen zur Hand, wenn ich etwas leichte, angenehme Krimilektüre suche. So auch diesmal, bei dem Band, dessen deutscher Titel Stille Wasser lautet:

Brunetti will einen seiner Kollegen vor einem Missgeschick bewahren und täuscht so einen Herzanfall vor. In dessen Folge wird er krankgeschrieben und alle raten ihm – trotz dass sein Vortäuschen inzwischen bekannt ist – sich mal einige Zeit lang etwas Ruhe zu gönnen. Er geht also für zwei Wochen alleine in ein leerstehendes Ferienhaus, das der Familie seiner Frau gehört und freundet sich mit einem vagen Verwandten an, mit dem er jeden Tag segeln geht. Und in entspannender Monotonie zwischen körperlicher Anstengung und seelischer Ruhe fließt die Zeit nur an Brunetti vorbei – bis eines Tages sein neuer Freund nicht mehr auftaucht. Tags zuvor gab es einen Sturm und wie es nach einiger Fahndung aussieht, fiel er diesem Sturm zum Opfer. Doch wieso? Ein so erfahrener Seemann wie er wäre niemals so unachtsam gewesen. Und so begiebt sich Brunetti auf eine Reise in seine Vergangenheit, als er mit zwei anderen Kollegen zusammen in einen tragischen Chemieunfall seiner Firma verwickelt war, eine Reise zu ebenjenen Kollegen, die in einem viel zu luxoriösen Pflegeheim untergebracht sind und auf Kosten der Firma dort ihren Lebensabend verbringen. Warum zahlt die Firma den beiden so viel Geld? Was hat der Seemann mit einer jungen Frau, die mal bei den Umweltschützern aktiv war zu tun? Und warum geht es seinen Freunden, den Bienenvölkern auf den kleinen Inseln so schlecht? Fragen, die in einem nicht abschätzbaren Zusammenhang miteinander stehen.

Um ehrlich zu sein, ist die Auflösung des Krimis wenig überraschend, man sitzt nicht fingernägelkauend vor dem Buch und muss unbedingt lesen, wie es weitergeht. Ganz im Gegenteil ist das Buch eine sehr beruhigende Lektüre. Die ersten 90 Seiten – immerhin fast ein Drittel des Buches – passiert erstmal so gut wie gar nichts, außer dass Brunetti eben segeln geht. Bis dann die Ermittlungen Fahrt aufnehmen, vergehen weitere 30 Seiten. Und genau dafür mag ich Donna Leon. Wir erfahren in diesem Band nicht so viel über sein idyllisches Familienleben und obwohl die seltsamen Dienstwege in Venedig am Rande eine Rolle spielen, hat dieser Band auch mit der echten Polizeiarbeit nicht viel zu tun. Brunetti möchte einfach die Umstände und Hintergründe seines Freundes erfahren, nutzt dabei die Ressourcen der Polizei, ist aber auch viel auf eigene Faust unterwegs. Mal wieder spielt dabei ein gesellschaftliches Problem eine Rolle und natürlich kann man dem Buch seine Ereignislosigkeit und seine fehlende Spannung vorwerfen. Natürlich kann man die Geschichte bestimmt auch auf der Hälfte der Seiten erzählen, aber dann geht dieser besondere Geist von Donna Leon verloren.

Donna Leon versteht es, eine gute Welt zu zeichnen, in der die Taten, die geschehen, echte Brüche darstellen. Sie sind nicht ‘normal’ in dieser Welt, es sind immer Ausreißer und am Ende strebt alles nach der perfekten Harmonie. Brunetti selbst verkörpert dieses Ideal. Dieses Mal war er an dem Bruch selbst beteiligt, findet aber zu dieser Harmonie zurück. Der Weg dorthin führt manchmal über Umwege, ist aber stets wohlgezeichnet. Eine wichtige Rolle spielt stets die körperliche und geistige Nahrung – es vergeht kein Roman, in dem kein Tramezzini con Pollo gegessen wird und es vergeht auch kein Roman, ohne dass Brunetti einen antiken Schriftsteller liest, ebensowenig gibt es atemberaubende Spannungsmomente, die länger als maximal wenige Seiten andauern. Es sind Krimis zum Entschleunigen, zum genussvollen und langsamen Lesen, die wirklicht beruhigend sind. Da ich immer finde, dass das auf Englisch noch etwas besser durchkommt – vielleicht auch nur, weil ich auf Englisch langsamer lese – bekommt auch dieser Roman wieder freundliche 3,5/5 Sternen von mir. Wen die oben beschriebenen Schwachstellen stören, hat damit jedoch nur wenig Freude.

 

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.