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Der Marsianer – Andy Weir

2016-10-19-12-28-16Die Geschichte dieses Buches liest sich wie eines dieser American-Dream-Wunder, die es in den heutigen Zeiten selten genug gibt und doch immer mal wieder vorkommen. Softwareentwickler schreibt Roman, findet keinen Verleger, stellt ihn auf seine Webseite, Leser kritisieren, Autor überarbeitet, stellt es als eBook ein, es wird zum Bestseller, es wird verlegt und ist „now a major motion picture“, wie man so schön sagt. Und das auch durchaus zurecht.

Wir sind im Zeitalter der Marsmissionen. Bei der dritten bemannten Marsmission kommt es zu einem Sandsturm, der scheinbar einen der Marsianer tötet – die anderen brechen die Mission ab, weil sie keine Lebenssignale mehr von ihm bekommen. Doch Mark Watney überlebt und ist fortan alleine auf dem Mars. Alleine mit einer Wohnkuppel, zwei Rovern und den Materialen für eine 4-wöchige Mission, aber ohne Kontakt zur Erde. Er weiß: Die nächste Chance, heimzukommen, ist, auf die nächste Marsmission in vier Jahren zu warten und 4000 Kilometer weiter zu deren Landepunkt zu kommen. Also ran an die Arbeit, man ist ja nicht umsonst Botaniker und Ingenieur und da die NASA sogar fünf Kartoffeln mitgebracht hat, kann er auf eine ziemlich abgefahrene Art und Weise ein Ernährungskonzept austüfteln. Einige Zeit darauf wird er von der Erde entdeckt und sofort zu einem riesigen Medienereignis stilisiert – allerdings ohne Kontakt zu ihm zu haben. Erst nachdem er den Pathfinder, einen alten Rover, eingesammelt hat, schafft er es Kontakt zur Erde aufzunehmen und zusammen mit seiner Crew kann er der NASA einen Plan zu seiner Rettung aufzwingen. Er fährt zum Landepunkt der nächsten Mission, wo schon das Rückkehrmodul liegt, die Crew seiner Mission macht einen Swing-by um die Erde und fliegt zurück zum Mars und sammelt ihn dort ein. Doch auf seinem Weg gibt es noch zahlreiche Unsicherheiten und ein kleiner Fehler reicht aus, um diesen Plan zu vereiteln.

Ich habe das Buch tatsächlich gar nicht gelesen, sondern als Hörbuch gehört, werde aber trotzdem weniger auf das Hörbuch – eine angenehme Erzählstimme übrigens – eingehen, als auf die Geschichte, die Textsorten und die Charaktere. Ich muss sagen, die Geschichte hatte mich schon beim Klappentext gefesselt. Okay, man kann einwenden, dass es doch auch nur eine normale Robinsonade ist, die eben auf dem Mars angesiedelt ist. Was das Buch allerdings zu etwas Außergewöhnlichem macht, ist die außergewöhnliche Detailtreue bei den technischen Beschreibungen und die sehr akkuraten und schlüssigen Beschreibungen der Marsmission. Technisch ist alles, was dort verwendet wird, heute schon theoretisch möglich und es gibt kaum ein Detail des Buches, das dem aktuellen Wissensstand widerspricht oder Annahmen voraussetzt, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Lediglich der Sandsturm am Anfang ist nach aktuellem Wissensstand in der Form etwas übertrieben und würde so nicht funktionieren. Und so entsteht aus einem zunächst wissenschaftlich anmutenden Roman eine packende Geschichte mit jeder Menge Action und einer ziemlich hübschen Charakterzeichnung von Mark Watney, der natürlich ein knallhart trainierter Astronaut ist, nach einigen Monaten isoliert und allein aber diesen Drill natürlich verliert.

Spannend sind an dem Buch auch die verschiedenen Textsorten. Es ist keine klassische Erzählung, sondern besteht in großen Teilen aus Logbucheinträgen von Watney – und so wird natürlich nur erzählt, was Watney auch seinem Logbuch erzählt. Das Potenzial dieser Erzählform, das Potenzial eines unzuverlässigen Erzählers lässt der Autor hier aber weitestgehend ungenutzt, es wäre spannender gewesen, wenn sich in Watneys Erzählungen vielleicht noch Widersprüche verborgen hätten und er diese Textsorte spezifischer geplant hätte – so beschränkt sich das auf einen gelegentlichen Kommentar, dass er herausfinden müsse, wie man Einträge hier löschen könnte. Klassisch erzählt wird dann die Parallelhandlung auf der Erde, durch Chatverläufe wird die Mischung von Textsorten komplett – es ist also gar nicht so ein klassischer Roman, aber natürlich passt diese Form total gut zur Geschichte und es fällt auch nicht unangenehm raus, dass eine vermeintlich neutrale Erzählinstanz fehlt – im Gegenteil, ich finde die Abwechslung äußerst angenehm.

Generell war ich von dem Buch ziemlich angetan. Es ist spannend erzählt, eine Mischung aus klassischer Science-Ficition, einer Robinsonade und einem Wissenschaftsbuch, das aufzeigt, was heutzutage mit den entsprechenden Mitteln eigentlich möglich wäre – und nebenbei wird in den Erzählungen auf der Erde auch noch immer etwas dezente Medienkritik und Kritik am Sensationsjournalismus geübt. Für mich eine absolut gelungene Mischung, die den Marsianer zu einem absoluten Lesehighlight macht. Ich gebe dafür gerne 4,5/5 Sternen und kann das Buch nur ausdrücklich empfehlen! Es gibt noch so viel zu sagen, was in dieser Rezension keinen Platz findet, was ihr selbst herausfinden musst. Aber Achtung: An einigen Stellen ist das Buch nicht immer appetitlich. Aber wo man mit beschränkten Ressourcen klarkommen muss…

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  1. Pingback: Montagsfrage vom 14.11.2016 | Romanfresser.de

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