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Ich, Harald Schmidt – Rob Vegas

k-WP_20151118_004Rob Vegas ist knapp über dreißig und hat schon fast alles erreicht. Der sympathische Showmaster mit abgebrochenem Politikstudium wurde um 2006 herum zu einem der ersten Internetstars mit seiner Show bei Sevenload und schreibt mit dem falschen Twitter-Account von Harald Schmidt noch immer regelmäßig Schlagzeilen. Klamauk, Politik, Satire, Medienkritik. Und: Niemand geht so herrlich offen mit Unternehmenskooperationen, wie beispielsweise Mazda oder Ford um. Nun also ein Buch. Und zwar nicht im kleinen Selbstverlag, sondern mit durchaus ordentlicher Promotion bei Goldmann/Random House. Ich verfolge seine Aktivitäten im Netz schon seit Jahren und so kam es – natürlich über Twitter – dazu, dass er mir sein Buch als Rezensionsexemplar zukommen ließ. Danke dafür und Grüße bitte.

Rob sagt, er wollte eigentlich ein Buch über sich selbst schreiben, der Verlag fand es aber besser, wenn man Harald Schmidt aufs Cover schreiben kann und so wurde das eben auch gemacht. Das Buch ist ohne Mitwirkung Schmidts entstanden und ist sozusagen eine gefälschte Autobiographie vom Late-Night Urgestein Harald Schmidt, geschrieben von Rob Vegas, dem Betreiber des falschen Twitteraccounts, den Schmidt als Werkzeug zur ‚Verschleierung seiner Identität’ sieht. Also wühlte sich Robert Michel, wie Rob Vegas mit bürgerlichem Namen heißt durch sämtliche Interviews, sah sich alte Aufzeichnungen an und wo er Lücken fand, hat er die Inhalte, die Innenwelten und die Reflexionen schlicht dazugedichtet und dabei durchaus auch mal Anekdoten aus der eigenen Biographie ergänzt, wenn sie denn passten.

So erleben wir in diesem Buch einen fiktiven Harald Schmidt, wie er komischer kaum sein könnte. Vom Elternhaus samt Katholizismus über die Schauspielschule und Engagements im Theater, über die Anfänge im Kabarett bis zum Sprung ins Fernsehen und bis hin zur größen Samstagabendshow der ARD, über etliche Senderwechsel der Late-Night Show bis hin zum sanften Abschied mit einem fast leerstehenden Geisterstudio und zwei Wochen Traumschiff-Drehs im Jahr. Schmidt rechnet dabei nicht nur mit seinen ehemaligen Sidekicks und Sendern ab, sondern beschreibt vor allem auch, wie er die Zeiten wahrgenommen hat, was ihn angetrieben hat und wie er seine Ziele erreicht hat, er erzählt von seinen Macken und Eigenheiten, beispielsweise seinem exzessiven Konsum von freiverkäuflichen Erkältungsmedikamenten, seinen Schwierigekeiten im sozialen Umgang, er erzählt davon, wie er lange unentdeckt blieb und sozusagen als Underdog ins Kabarett kam, um dieses Sprungbrett dann für die große Karriere zu nutzen, wie sich aber auch da schnell Routine einschleicht und dieses große Late-Night-Gespenst an Reiz verliert, wenn man es jahrzehntelang tut.

Was mich an diesem Buch fasziniert hat, ist, dass man zwar genau weiß, dass sich Rob Vegas viele Teile der Autobiografie ausgedacht hat, aber sie für mich immer schlüssig und nachvollziehbar klang. Ich kenne Schmidt nicht näher, vermutlich bin ich ein paar Jahre zu jung, um ihn an seinem Höhepunkt wirklich mitbekommen zu haben, ich kenne ein paar Ausschnitte aus der Harald-Schmidt Show, habe ein paar Folgen auch ganz gesehen, aber bin im Prinzip nicht wahnsinnig über diese Person im Bilde. Und dennoch fühlte sich das für mich alles total stimmig an, die Anekdoten wirken alle durchaus passend, manche Passage liest man und denkt sich ‚Ja, das klingt genau wie Schmidt’, weiß aber nie, ob das jetzt dazugedichtet wurde oder nicht.

Letzten Endes kommt es darauf gar nicht an. Rob hat mit seinen Tweets in den letzten Jahren das Bild von Schmidt wesentlich mitgeprägt, seine Tweets werden in großen Zeitungen unter Schmidts Namen abgedruckt, selbst im Fernsehen kommt er vor, er ist auf Twitter durchaus ein relevanter Meinungsmacher. Und ich vermute, kaum jemand kennt Schmidt so gut wie Rob, ohne dass er ihn einmal getroffen hat.

Alles in allem ist Rob Vegas damit ein wirklich tolles Buch gelungen, das sich nicht nur flüßig und amüsant liest, sondern vor allem die wahre Persönlichkeit von Schmidt noch weiter vernebelt und dennoch aufklärt. Gefüllt mit zahlreichen Running Gags, mit ernsten Stellen, gesellschaftlichen Aussagen und voller scharfer Kritik am digitalen Lebensstandard, ist das Buch nicht nur eine Empfehlung für alle Fans von Harald Schmidt, sondern generell für jeden, der sich ein paar schöne Stunden damit geben möchte. Besonders empfehlenswert ist übrigens auch das Hörbuch, das direkt bei fairmedia zu beziehen ist und nicht nur von Roland Baisch gelesen wurde, sondern durch die Dialoge zwischen Baisch und Rob Vegas zu einer Art Directors-Cut des Buches wird, bei der der gelesene Text oftmals noch diskutiert und weiter mit Hintergrundinfos angereichert wird. Vor allem aber ist es einfach witzig.

Rob Vegas bekommt für sein Totholzdebüt von mir 4/5 Sternen. Das Hörbuch allerdings wäre mir glatt noch einen Stern mehr wert, sodass ich der Mischung halber auf 4,5/5 Sterne komme Ein sehr amüsantes Buch für zwischendurch, das zwischen Autobiographie und Roman mäandert und das verrückte Leben über einen Moderator, der noch vor 15 Jahren zu den ganz großen zählte und nun seine Karriere mit dem Traumschiff ausklingen lässt, erzählt. Gönnen wir es ihm und erfreuen uns stattdessen hoffentlich noch lange an den Tweets von Rob Vegas als falscher Harald Schmidt.

2 Kommentare

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