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Vom Esel vnd dem Rinde – Burkard Waldis

Die Stauferzeit, vom 11. bis 13. Jahrhundert gilt gemeinhin als die Blütezeit des Mittelalters – gerade auch im Bereich der Kultur. Wir hatten letztes Mal ein Gedicht aus genau dieser Zeit, Walter von der Vogelweide ist einer der größten Namen der staufischen Hofdichtung. Doch danach gibt es nicht so viel. Gegen 1650 beginnt der Barock, vorher gibt es ein bisschen Renaissancedichtung, doch zur Zeit der Reformation entsteht sehr wenig Lyrik – und nahezu gar keine weltliche. Es gibt eine Mystikbewegung in der Zeit und es gibt eine Reihe von Fabeln. Ich habe dazu mal in einem sehr dicken Gedichtbuch nachgeschaut und meine größte Schwierigkeit war es dann, diese Texte für euch aufbereitet im Internet zu finden. Die Handschriften sind zwar alle digitalisiert, aber möchte ich euch wirklich Frakturhandschriften antun?  Eins habe ich gefunden, „Vom Esel vnd dem Rinde“ von einem Herrn Namens Burkhard Waldis. Interessanterweise sogar ein Hesse, sodass das hier zum unfreiwilligen Lokalpatriotismus wird. Waldis ist ein Autor, der so wenig erforscht wurde, dass der Wikipediaartikel sogar die Anzahl der Promotionen im 20. Jahrhundert listet – fünf Stück nämlich. Er ist ein Konvertierter in der Zeit kurz nach der Reformation. Geboren um 1490, gestorben 1556, war mehrmals im Gefängnis, war Zinngießer, studierte spät noch Theologie und war schließlich bis zu seinem Tod Pfarrer – er war also alles andere als ein hauptberuflicher Dichter, obwohl seine Werke, insbesondere seine Fastnachstdichtungen recht bedeutend waren. Von wann unser heutiges Gedicht, das sich eindeutig den Fabeln zuordnen lässt, ist, kann ich leider auf die Schnelle herausfinden, aber immerhin habe ich es in einer lesbaren Fassung aufgetrieben: http://www.zeno.org/Literatur/M/Waldis,+Burkhard/Fabeln/Esopus/Erster+Theil/Das+ander+Buch/39.+Vom+Esel+und+dem+Rinde

Sprachlich ist es relativ gut zugänglich, finde ich. Gegen die etwas ungewohnten Schreibweisen hilft es, wenn man es sich einfach selbst vorliest. Und auch, wenn das Gedicht formal recht gut zu analysieren ist. Es gibt keinerlei Einteilung von Strophen, das Gedicht ist im Paarreim verfasst, welcher manchmal etwas unrein ist – was aber auch daran liegen kann, dass sich die Aussprache immer noch ein bisschen vom heutigen unterscheidet. Metrisch haben wir es mit einem vierhebigen Jambus zu tun, eine Strophenform, die eine weniger prominente Rolle spielt, die aber gerade in der frühen Geschichte eine enorm wichtige Rolle spielt – auch wegen des leichten Klangs.

Jetzt habe ich seit über 300 Wörtern schon ein Gedicht vor mir liegen und noch nichts zum Inhalt gesagt. Das hat auch einen ganz einfachen Grund: Ich kann damit nicht viel anfangen. Es ist ein Dialog zwischen Esel und Rind, das Ring will dem Krieg entfliehen, weil es geschlachtet und gegessen wird, der Esel hat jedoch kein Problem damit, er weiß, dass er ein Arbeitstier ist und dass er immer arbeiten wird. Das passt recht gut zur protestantischen Arbeitsethik. Arbeit war im mittelhochdeutschen noch ein sehr negativ besetzter Begriff, durch Luther wird Arbeit jedoch zu etwas Ehrenwertem, etwas Erstrebenswerten – und so kann man diese Fabel verstehen. Aber viel mehr kann ich da nicht herausholen. Der typische Lehrspruch, der bei Fabeln dieser Zeit oft recht prägnant ist, ist hier auch eher so mittelprächtig.

Vielleicht noch kurz ein paar Worte zur Fabel an sich. Die Fabel ist ein Lehrstück, das in kurzen, oft humorvollen Versen oder Texten Weisheiten oft mittels sprechender Tiere kundgibt. Diese Tiere denken und handeln wie Menschen und sollen den Menschen das richtige Verhalten aufzeigen. Einen großartigen Hintergrund, Rahmenhandlung oder besonders viel zum Interpretieren gibt es nicht, es ist eine Zweckdichtung in einfacher Sprache – und wenn man sich jetzt nochmal dieses Gedicht anschaut, dann kann man eigentlich alle Punkte abhaken.

Ich persönlich kann mit diesem Gedicht nicht so besonders viel anfangen, finde aber die Beschäftigung mit der Dichtung dieser Epoche unglaublich spannend – und vielleicht finde ich nochmal Zeit und Muße, mich da intensiver reinzulesen, vor Allem weil ich ohnehin schon für diese wenigen Zeilen hier verhältnismäßig lang recherchiert habe. Normalerweise weiß ich, welches Gedicht ich hier besprechen will, lese ich mich so eine halbe Stunde ein und schreibe dann meine Gedanken nieder, hier habe ich allein eine Stunde damit verbracht, einen Autoren und ein Gedicht zu finden – und das Niederschreiben ging auch nicht so schnell. Aber wahrscheinlich habe ich von dieser Gedichtanalyse mehr mitgenommen als von den meisten anderen. Und wenn in den nächsten Jahren in dieser Rubrik noch weitere Gedichte der frühen Neuzeit und des ausgehenden Mittelalters landen sollten, wisst ihr, dass ich ein neues Faible habe.

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