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Stille Nacht – Joseph Mohr

Ich wünsche euch allen, die ihr diesen Blog lest, ein frohes und möglichst ruhiges und entspanntes Weihnachtsfest! Heute, am heiligen Abend, ziehe ich den für Sonntag üblichen Blogpost vor und möchte euch heute das bekannteste Weihnachtslied des deutschen Sprachraums vorstellen. Stille Nacht. Es wurde einem Hilfspfarrer namens Joseph Mohr zum Heiligabend 1818 verfasst, von einem Orgelbaumeister verbreitet und galt bereits 20 Jahre später als Volkslied. Nur aufgrund des damaligen Königs von Preußen ist der wahre Urheber heute noch bekannt. Die authentische Fassung des Textes, der heute oft in weniger Strophen gesungen wird, ist hier zu finden: http://www.stillenacht.at/de/text_und_musik.asp

Schaut man sich das Lied aus der Brille des Literaturwissenschaftlers an, macht man zunächst einen interessanten Befund: Es handelt sich um ein romantisches Gedicht! Natürlich, es stammt aus dem Jahr 1818, eines der Jahre, in denen die Romantik gerade auf einem Höhepunkt war und es ist ein romantisches Gedicht durch und durch. Die metrische Analyse ist gar nicht so interessant, es ist eben in Form einer Melodie konzipiert, die dem Gedicht ihr eigenes Metrum auferlegt, es gibt sechs Strophen mit jeweils sechs Versen, die Verse 5+6 jeder Strophe sind identisch, der erste Vers ist in jeder Strophe derselbe. Es handelt sich stets um Paarreime, wobei das letzte Reimpaar einer Strophe natürlich stets eine Wiederholung des Verses dafür ist.

Wir haben in den letzten Wochen immer mal wieder Gedichte der Romantik besprochen und das ist auch kein Zufall – denn das Weihnachtsfest als Familienfest, wie wir es heute kennen, diese ‚Romantisierung‘ des Weihnachtsfestes kommt aus genau dieser Epoche. Die Motive der Romantik werden hier mal wieder verarbeitet. Natürlich handelt es sich hierbei um antiaufklärerische Kirchenlyrik, die den Katholizismus, die Heiligkeit und das Übernatürliche propagiert – die in dieser Zeit als Gegenpol zum Aufkommen wissenschaftlicher Methodik steht. Und dieses Lied zeigt diese seltsame Vermischung von romantischen Tendenzen wie dem Sehnsuchtsmotiv mit religiösen Texten.

Interessanterweise wird der Text dieses Liedes nur wenig gedeutet, dabei steckt dort einiges drinne. In einer Strophe heißt es beispielsweise „Wo sich heut alle Macht | Väterlicher Liebe ergoß | Und als Bruder huldvoll umschloß | Jesus die Völker der Welt!“, was man durchaus als ein Friedensplädoyer und Ausdruck der Kriegsmüdigkeit sehen kann, ein zu dieser Zeit ebenfalls weit verbreitetes Motiv.

Nicht zuletzt hat das Lied heute wieder Aktualität, es mag ziemlich antiaufklärerisch wirken, aber es ist eben doch ein Plädoyer für eine besinnliche Zeit, ein Appell, den kommerziellen Aspekt herauszulassen und sich auf die Besinnlichkeit und die Romantik, die diesem Weihnachtszauber innewohnt zu konzentrieren.

Stille Nacht ist inzwischen Teil des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO. Es ist jetzt gar nicht mal so, dass es sich um eine lyrische Perle handeln würde, bemisst man das Lied an seiner rein literarischen Qualität ist es bestenfalls ein ganz anständiges Lied, aber die enorme Verbreitung Bekanntheit machen dieses Lied dazu, wie es ist. Und: Man verbindet es unweigerlich und sofort mit Weihnachten. Kaum ein Lied drückt diese Idee von Weihnachten als Fest der Liebe so gut und pointiert aus.

Und in diesem Sinne habe ich jetzt nichts mehr zu sagen, als euch noch einmal ruhige Tage zu wünschen. Nach Weihnachten geht es dann auch hier im Blog weiter, bis dahin empfehle ich euch – wie schon letzte Woche mal

 

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