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Serapionsbrüder #27: Vampirismus

k-WP_20151112_003Die letzte kurze Geschichte, die Cyprian erzählt, beschäftigt sich noch einmal mit sehr düsteren Gestalten, namentlich den Vampiren. Und so düster wie die Gestalten sind, ist auch das Setting der Geschichte.

Ein Graf kommt von einer Reise zurück und möchte so langsam auch mal heiraten. Eine alte Baronesse, die der Vater nie leiden konnte, kündigt sich an und, der Gastfreundschaft willen, empfängt er sie und macht ihm Komplimente, sodass er sie für aufrichtig hält – gerade auch, weil sie eine wundervolle Tochter mitbringt. Natürlich verlieben sich die beiden und auch die nächtlichen Anfälle der Mutter, die in Starrkrämpfen gefangen und nachts das Schloss verlässt, verunsichern ihn zunächst nicht – doch auch die Tochter verbirgt ein Geheimnis, das sie ihm erst nach dem überraschenden Tod der Mutter erzählen kann: Ein bleicher Mann kam einst in das Leben der Frauen und ermöglichte ihnen den Aufstieg, belegte die Mutter mit einem furchtbaren Fluch und verschwand. Die Tochter wird nun auch immer seltsamer, sie verschmäht das Fleisch und ernährt sich von Leichen, die sich nachts ausgräbt. Damit konfrontiert wird nun auch der Graf gebissen und verfällt dem Wahnsinn.

Ich denke, dieser Text nimmt nochmal eine Sonderstellung in den Serapionsbrüdern ein. Generell scheint dieser letzte Abend immer wieder von Extremen geprägt zu sein. Keine andere Geschichte in den Serapionsbrüdern fand ich derart gruselig, derart düster und so furchtbar und grauenvoll wie die von den beiden verfluchten Frauen. Dies ist übrigens eine der Geschichte, die nicht zuvor veröffentlicht wurden, sie ist zuerst in diesem vierten Band der Serapionsbrüder erschienen. Zeitgenössisch wurde sie nicht besonders hochgeschätzt, vor allem heißt es über sie, sie habe eine Grenze überschnitten, die einfach dem guten Geschmack wiederspricht. Es sei eine einfach grässliche Geschichte.

Für mich ist diese Geschichte eine der phantastischsten, die es in den Serapionsbrüder gibt. Das Motiv des Leichenfraßes ist noch heute eins, das selbst in der Horrorliteratur immer sehr grenzwertig ist, die Stimmung der Geschichte erinnert an Zombiefilme, das Setting an Vampirgeschichten wie Dracula, es ist enorm düster, während ich diese Geschichte las, spielte sich in mir so eine Art düsterer Schwarz-Weiß-Film ab. Und gerade ihre Unbestimmtheit ist das grauenvolle. Es passiert so völlig beliebig, ohne Hintergründe, ohne, dass man etwas über Zeit und Raum weiß, es gibt nur die Burg, je nach Zählung drei bis fünf Figuren, in kleiner Arena passieren grauliche Sachen, über die selbst der Graf, der typische Unwissende erst spät in Kenntnis gesetzt wird und dann am Ende scheitert.

Die Serapionsbrüder finden die Geschichte grauenvoll, das würde ich aber mal als Kompliment für die Geschichte auffassen, auch wenn keiner der Brüder von ihr angetan ist. Für mich allerdings ist die Geschichte eine ganz wichtige, fügt sie sich doch in eine literaturgeschichtliche Reihe ein, in der das Grauenhafte, das Abstoßende entdeckt und literarisch verarbeitet wird. Nicht zufällig reihen sich im 19. Jahrhundert die Schauergeschichten, die Horrorrgeschichten und all diese Motive, aus denen sich noch heute in konkretisierter Form belletristische Phantastik zusammensetzt. Auch wenn es sich nicht um den klassischen Vampir handelt – und Hoffmann sie auch gar nicht als ‚Vampirismus‘ betitelt hat, sondern schlicht ohne Titel lässt – diese Bezeichnung hat sich im Lauf der Zeit durchgesetzt.

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