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Serapionsbrüder #21: Spieler-Glück

k-WP_20151112_003And now to something completely different. Sprechen wir über Spielsucht. Ein wirklich ernstzunehmendes Thema, auch moralisch komplex, weil man als Spielbank ja nur durch die Spielsucht seiner Kunden überleben kann. Wie komme ich darauf? In der heutigen Geschichte geht es genau darum:

Der Chevalier hat ein unvergleichliches Glück am Spieltisch, dass er irgendwann selbst zur Bank wird und mitansieht, wie beispielsweise Signur Vertua sein ganzes Hab und Gut verspielt. Er folgt ihm nach Hause, weil er genau dieses in Besitz nehmen will und trifft dort auf eine Tochter, die so wundervoll ist, dass er sie um alles in der Welt heiraten möchte und dem Vater sein Hab und Gut lässt. Er gibt daraufhin das Spielen auf und kümmert sich aufmerksam und sie. Zunächst zumindest. Denn nur kurze Zeit nach dem Tod des Vaters wird der Chevalier rückfällig und sein fast schon räuberisches Glück macht ihn übermütig, bis er es dann allerdings verliert und alles verspielt – am Ende sogar seine Frau an einen Obristen. Dieser ist jedoch unglücklicherweise die Jugendliebe seiner Frau – und er vernachlässigt diese schon seit langer Zeit. Doch als der Obrist seinen Gewinn entgegennimmt, liegt Angela tot in ihrem Bett.

Ich muss sagen, diese Geschichte hat mich ziemlich überrascht. Das Thema Spielsucht und wie zerstörerisch diese ist, hatte ich in dieser Novellensammlung absolut nicht erwartet und es ist auch tatsächlich ein Motiv, das so zum ersten Mal auftritt, ich würde spontan vermuten, es hängt da auch mit Hoffmanns persönlichem Hintergrund zusammen. Das Motiv der Dreiecksbeziehung hatten wir schon einmal – und natürlich endet es diesmal wieder katastrophal, niemand erlangt sein Ziel und alle scheitern. Der Obrist erlangt sein Ziel nicht, der Chevalier mit seinem Glück verarmt völlig und verliert auch noch seine Frau, die eine merkwürdige Engelserscheinung war (Telling Names: Sie heißt Angela), diese erlangt weder ihre Jugendliebe, noch führt sie ein passables Leben mit ihrem Ehemann, sondern zerbricht an dieser Dreiecksbeziehung.

Interessant an dieser Geschichte wäre die Erzählstruktur, denn die Geschichte wird von einem Fremden erzählt, der einen Baron vom Spielen abhalten will, erst ganz am Ende wird klar, dass der Fremde seine eigene Geschichte erzählt. Und da das Ganze ja wieder im Serapiontischen Rahmen stattfindet, haben wir hier eine Erzählung in einer Erzählung in einer Erzählung in der teilweise noch andere Erzähler in der vierten Erzählebene erzählen (wenn beispielweise der Obrist von seiner Vergangenheit erzählt). Diese Verschachtelung hatte ich schon in den ersten Folgen immer mal wieder erwähnt und hier taucht sie mal wieder sehr exzessiv auf. Aber das heißt nicht, dass die Geschichte dadurch irgendwie unverständlich wird, ganz im Gegenteil stören diese Erzählebenen gar nicht und man kann die Geschichte einfach ganz normal lesen.

Die Geschichte wurde von der zeitgenössischen Rezeption ziemlich positiv aufgenommen, vermutlich ist es auch der Prototyp für die Erzählungen um Spielbanken und Glücksspielerei, eine Aktivität, die wohl auch erst im 19. Jahrhundert so wirklich aufkam, wenngleich es solche Spiele schon seit der Antike gibt. Die Serapionsbrüder nehmen die Geschichte auch wohlwollend auf und geben daraufhin alle ihre eigenen Anekdoten zur Spielsucht zum Besten – scheinbar ein sehr populäres Thema, dass heutzutage irgendwie kaum im öffentlichen Diskurs steht – aber wenn man sich die Randbezirke von Städten und ihre Spielhöllen anschaut, wundert man sich doch, wie diese Hallen sich halten können und wie hoch wohl die Dunkelziffer ist. Dass Hoffmann-typische Ende fand ich auch sehr passend. Eine tolle Geschichte.

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