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Serapionsbrüder #09: Magnetismus

k-WP_20151112_003Die heutige Geschichte ist eine, die gar nicht im Inhaltsverzeichnis ausgewiesen ist. Normalerweise stehen die Geschichte ja unter einzelnen Überschriften, ist das nicht der Fall, sind zumindest von meiner Ausgabe her Überschriften ausgewiesen. Bei dieser Geschichte habe ich den Titel jedoch dreist (und extrem unwissenschaftlich) von Wikipedia entnommen.

Es geht um eine neue Heilkunst, den Magnetismus. Dieser wird als Möglichkeit beschrieben, Bewusstseinszustände, die einer Trance, einem Hellsehen gleichkommen, zu induzieren und damit psychische wie physische Leiden zu heilen. Während einige der Serapionsbrüder daran ziemlich zu zweifeln scheinen, fängt Theodor an, von seinen Erlebnissen damit zu erzählen, wie er einst einem Hof einer öffentlichen Behandlung beiwohnte und daran noch einige Zweifel hatte, ob es sich nicht um eine Form des Schauspiels handelt, er hat dann allerdings noch die Gelegenheit, in einer Spezialklinik einer Magnetismus-Kur beizuwohnen, wo er dann erlebt, wie ohne Hintergedanken oder Publikum für das Mädchen Linderung von ihrem Gemütszustand geschaffen wurde.

Diese Magnetismusbehandlung erinnert ein wenig an moderne Hypnose, die ja keine Showhypnose, sondern ein bewusst induzierter Zustand ist, in dem Einwirkung auf die Psyche genommen werden kann. Seriöse Hypnose kann den Willen des Patienten nicht brechen, aber ihm helfen, mit Stresszuständen oder anderen psychischen Problemen besser klarzukommen.

Dieser Magnetismus als Motiv hat aber eine starke übersinnliche Komponente. Wie es noch später in diesem Band passieren wird, werden hier unter dem Einfluss von Magneten und der Magnetkraft übersinnliche Kräfte freigesetzt, namentlich sind die Patienten in der Lage, Weissagungen zu treffen, die Zukunft zu sehen und einen neuen Bewusstseinszustand zu erreichen. Im Kreise der Serapionsbrüder wird das – trotz aller Kritik an den Heilkräften – durchaus positiv rezipiert, weil ja dieses Schauen unter dem Einfluss des Magneten durchaus als ein serapiontisches Schauen zu bezeichnen ist. Allerdings nicht uneingeschränkt. Cyprian findet das ganze ziemlich unerträglich und drängt jetzt darauf, sein Manuskript vorzutragen, das dann nächste Woche unser Gegenstand sein wird.

Ich fand dieses kurze Zwischenspiel, diese mit kaum zehn Seiten (zwanzig inklusive der Gesprächspassagen) durchaus spannend, gerade weil es am Anfang eines Bandes steht, in dem noch einige übersinnliche Phänomene, wie eine Spukgeschichte oder die Automate eine Rolle spielen. Und dass der Magnetismus, dem ja noch heute eine gewisse Faszination innewohnt, hier so als Zwischending zwischen Heilkunst und Hypnose präsentiert wird, gefiel mir wirklich gut, ich hatte viel Spaß an dieser kurzen Episode und vermute, dass man da ganz viel historischen Kontext herausholen könnte – es ist ja eben am Anbeginn einer Zeit, in der die Seele als Quelle von Erkrankungen neu entdeckt wird und gleichzeitig die naturwissenschaftlichen Verfahren um das Primat der Medizin konkurrieren. Ich vermute, dass eben in dieser Zeit, in der der Aderlass nicht mehr als Mittel der Wahl gilt, alles, was hilft, zunächst mal begeistert rezipiert wurde – aus dieser Zeit stammt ja auch mit Hahnemann der Begründer der Homoöpathie.

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