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Serapionsbrüder #02: Rat Krespel

k-WP_20151112_003Nachdem Cyprians Geschichte über den Einsiedler Serapion vom Klub ziemlich zerrissen wurde, beginnt Theodor damit, seinerseits eine Geschichte von einem Wahnsinnigen zu erzählen – dem Rat Krespel.

Krespel zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass er ein Haus ohne Grundriss hat bauen lassen und dann ad-hoc in den hochgezogenen Steinkoloss seine Fenster hat einreißen lassen. Er macht weiterhin durch ein mysteriöses – einmaliges – Konzert, das die Einwohner von der Straße her verfolgen können, auf sich aufmerksam – der Gesang seiner Tochter ist so vollkommen, dass er fortan zum Stadtgespräch wird.

Theodor kehrt einige Zeit nach seinem ersten Besuch, bei der er den Rat als schrulligen, aber netten Kerl kennengelernt hat und festgestellt hat, dass er seiner Tochter verbietet, zu singen, in die Stadt zurück. Dort sieht er eine Beerdigung und stellt fest, dass ebenjene Tochter gerade zu Grabe getragen wird. Daraufhin erzählt Krespel ihm die Geschichte von Anfang an: Es ist die Tochter einer recht wilden Ehe mit einer Opernsängerin, die die Vollkommenheit, die Krespel zuvor im Auseinanderbauen von Geigen gesucht hat, in ihrer Stimme trägt. Doch trägt sie eine furchtbare Erkrankung in sich, die sie durch die Benutzung ihrer Stimme zerstört, weshalb Krespel ihr das Singen verbot. Gestorben ist sie daran, dass Krespel schwach wurde und sie singen ließ.

Als Theodor seine Geschichte beendet, ist Ottmar wild vor Rage. Krespel sei ja noch viel furchtbarer als Serapion. Nicht nur das, auf einmal erkennt Ottmar gar das Wundervolle des Serapion, Serapion, der ja aus dem Inneren schafft und nur aufgrund seiner Erkrankung die Projektion in die Außenwelt nicht hinbekomme, während Krespel alles andere als ein Künstler sei und ja nichts selbst geschaffen habe. Aus dieser Rage entwickelt Ottmar, der zuvor noch Angst vor der Philisterei hatte, das Prinzip dieser Zusammenkunft. Man wolle sich fortan die Serapions-Brüder nennen, sich wöchentlich treffen und Geschichten erzählen, bei denen man wohl prüfen soll, ob man sie wahrlich selbst geschaut hat, sie also aus dem Inneren geschöpft und dann in die Außenwelt projiziert wurden.

Mit diesem sogenannten Serapiontischen Prinzip wird der Grundstein alles Phantastischen gelegt. Es ist das klare Bekenntnis, Geschichten aus dem Inneren zu schöpfen, sogar als Voraussetzung dieses Zirkels – und eine klare Absage an das Aufgreifen und Adaptieren von historischem Stoff, eine Absage an den Realismus. Und aus der Machart des Werkes (auch der Originalveröffentlichung dieses Textes übrigens!) ist auch abzuleiten, dass Hoffmann sich damit – und mit weiteren Werken – klar gegen den Perfektionismus der Weimarer Klassik positioniert und das Fragment, die schlichte Erzählung, die einfache, erzählende Prosa als Mittel seiner Wahl in den Fokus rückt.

Gerade diese Stelle des Serapiontischen Prinzips, die Legitimation des Nicht-Natürlichen spricht mir aus der Seele. Ich hatte in einigen anderen Rezensionen schon erwähnt, dass ich nicht unbedingt der Freund von strengem Formenkorsett, von der schlichten Adaption historischer Geschichten bin, sondern dass mir die erfundenen, dem Inneren entsprungenen Begebenheiten mehr liegen. Natürlich ist Hoffmann nicht der Erste, der phantastische Geschichten schreibt. Dennoch ist das Serapiontische Prinzip und Hoffmanns Werk für mich als ein wichtiger Ausgangspunkt heutiger Phantastik – auch wenn Ottmar sich über heutige Fantasy wohl ziemlich aufregen würde.

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