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Mondnacht – Joseph von Eichendorff

Nachdem wir letzte Woche ein so bedrückendes Gedicht hatten, dachte ich mir, ich nehme gleich noch mal wieder ein romantisches Gedicht hinein, damit wir ein bisschen süß träumen können. Mondnacht heißt es, 1837 ist es erschienen und könnte auf den ersten Blick nicht schöner sein. Sternklare Nacht, leises Rauschen, welch unbeschreiblich schöne Szenerie. Doch was Eichendorff daraus macht, könnt ihr erstmal selbst nachlesen: https://de.wikisource.org/wiki/Mondnacht

Ja, welch wundervolle Naturlyrik. Alles wirkt sehr idyllisch, eine wundervolle Mondnacht, wie man sie so im Park liegend, den leichten Wind der Sommernacht spürend, gerne verbringt, man beginnt zu träumen und romantisiert die eigene Situation, man lässt die Seele baumeln oder eben ihre Flügel ausbreiten. So geht das im Gedicht 11 Verse lang. Und dann kommt der zwölfte Vers. Der abschließende Halbsatz. Mit dem alles zerstört wird. Aber dazu gleich mehr.

Formal ist das Gedicht in drei Strophen zu je vier Versen gegliedert, auch hier ist das Versmaß enorm regelmäßig, es liegen dreihebige Jamben (unbetont – betont) vor, die zusammen eine Strophenform bilden, die der des Hildebrandtliedes ähnelt, es sind ziemlich regelmäßige Kreuzreime, lediglich für spannte – Lande muss man ein bisschen nuscheln, damit der Reim rein wird.

Wir befinden uns schon in der ausklingenden Romantik, die ja von Naturlyrik geprägt ist, das Naturidyll wird gnadenlos verherrlicht und die Sehnsucht nach der Ferne dominiert häufig das Gedicht. Hier aber ist es noch eine ganz andere Sehnsucht, die sich im letzten Vers andeutet. Die Seele fliegt durch die stillen Lande, so als ob sie nach Hause flöge. Und mit dem nach Hause fliegen ist wohl kaum der Schoß der Angebeteten gemeint, sondern der Tod. Das Loslösen der Seele vom Körper und die Heimkehr ins Paradies ist das urchristlichste Motiv, das wir wohl kennen. Und wenn man es ganz düster deuten möchte, könnte man auch das Küssen von Himmel und Erde nicht als paradiesische Verklärung der Natur sehen, sondern aus Vorbote der Apokalypse, wo sich die Schleusen des Himmels öffnen und somit Himmel und Erde sich berühren, damit die Erde in ihm aufgeht. Die sternklare Nacht passt da nicht unbedingt mit hinein, aber wenn man dies als bekannte Ruhe vor dem Sturm sehen möchte, könnte man das auch deuten.

Okay, das ist jetzt etwas weit hergeholt, aber dennoch bleibt die Frage, wieso diese eigentlich so wahnsinnig romantische Situation auf einmal mit dem Tod überschattet wird – und hier kommen wir zum Sehnsuchtsmotiv. Die Sehnsucht ist das Bedeutende für Romantik, für August Schlegel war sie sogar das, was die Romantik von der Poesie des Alten unterschied. Und Ziel der Sehnsucht ist das Unerreichbare und hier in diesem Fall – der gar nicht so untypisch ist – die Erlösung, der Tod. Vielleicht ist das auch auf die zeitlichen Umstände bezogen. Die Romantik ist bekannt dafür, sich zum restaurativen Zeitgeschehen nicht zu äußern, die gesellschaftlichen Unruhen der bürgerlichen Revolutionsbestrebungen nicht in die Poetik zu tragen – vielleicht ist diese Todessehnsucht genau der Aufhänger, an dem das Zeitgeschehen anknüpft. Eine Welt, die so unerträglich ist, bei der man sich zunächst in die Natur zurückflüchtet – mittlerweise setzt zumindest die Urbanisierung und die frühe Industrialisierung ein – und schließlich sieht man keinen Ausweg mehr als den Tod, nach dem man sich sehnt.

Auch hier könnte man sicherlich noch weiter interpretieren, sich mit den einzelnen poetischen Bildern beschäftigen, aber insgesamt lässt sich an dieser Stelle schon festhalten, dass das träumerische Naturidyll hier erst im letzten Vers gebrochen wird und in ein geradezu schauerromantisches Finale mündet. Ganz so unbeschwert wie erwartet, ist dieses Gedicht dann doch nicht.

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