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Kopf schlägt Kapital – Günter Faltin

k-WP_20151204_006Günter Faltin ist Professor am ehemaligen Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik an der FU Berlin, der inzwischen ein Lehrstuhl für Entrepreneurship ist. Faltin selbst wollte sein Fachgebiet praktisch erfahren und gründete so in den 80er Jahren die Teekampagne. Über seine Erfahrungen dabei und von der radikal neuen Idee, Unternehmen zu gründen und Entrepreneur, also Gründer (als Abgrenzung vom im 19. Jahrhundert geprägten Bild vom Unternehmer) zu werden, handelt dieses Buch.

Faltin zeigt am Beispiel der Teekampagne auf, wie moderne Gründungen funktionieren. Der Gründer hat zunächst seine Idee, diese Idee ist entscheidend und muss vom Gründer lange Zeit und intensiv durchdacht werden, bis sich aus der Idee ein Konzept ergibt. Dieses Konzept muss irgendeinen Anhaltspunkt haben, warum das Konzept irgendetwas besser und anders macht, als das bisher der Fall ist. Wenn das Konzept steht, kann das Gründen selbst aus Komponenten, also zugekauften Dienstleistungen erfolgen, sodass der Gründer zum Koordinator der einzelnen Komponenten wird und selbst nur das Zusammenspiel der ausgelagerten Dienstleistungen koordiniert. Er beschreibt Unternehmen, die nur aus Komponenten bestehen, die aber eine revolutionäre Idee mitbringen, weil sie irgendein Problem lösen, etwas vereinfachen oder die Welt verbessern.

Dabei rät Faltin dazu, den Markt in seine dienende Funktion zu bannen und das Paradigma der Gewinnmaximierung zu überwinden. Das Primat der Betriebswirtschaftslehre ist zu brechen, die BWL kann dem Gründer dienen, aber der Gründer muss kein Betriebswirt sein, sollte sich von traditionellen Konzepten wie dem Businessplan lösen und muss auch nicht im Anzug zur Bank gehen und um einen Kredit betteln und sich sein Konzept von irgendwelchen Beratern verstümmeln lassen. Faltin ruft zu breiterem Unternehmertum auf, er beschreibt, wie jeder ein Gründer werden kann, vom Straßenkind bis zum Hochschulabsolvent stecke der unternehmerische Geist in jedem von uns und müsse nur entfacht werden. Den Gründungen gehöre die Zukunft, weil sie bessere Lösungen für Probleme der Welt hervorbringen.

Von Faltin habe ich das erste Mal gehört, als ich tatsächlich als Gelegenheitsteetrinker über die erstaunlich günstigen Preise der Teekampagne stolperte. In diesem Jahr hörte ich dann einige Interviews mit ihm anlässlich der Veröffentlichung seines neusten Buches und besorgte mir dann seinen Klassiker „Kopf schlägt Kapital“ aus der örtlichen Unibibliothek, um das alles mal nachzulesen.

Wenn man bereits Interviews gehört hat oder mal ein bisschen mehr gegoogelt hat, stehen in den knapp 250 Seiten keine bahnbrechenden Erkenntnisse mehr drinne und im Zeitalter von Start-Ups wundert sich auch keiner mehr, aber man sollte im Kopf haben, dass dieses Buch aus dem Jahr 2008 stammt und die Ideen teilweise schon seit Jahrzehnten von Faltin gelehrt werden. Dann wundert es doch, dass nicht längst mehr Gründer unseren Alltag bestimmen und Gründern noch immer Steine in den Weg gelegt werden.

Faltins Ansätze sollten inzwischen eigentlich common sense sein. Seine Ausführungen stützen sich auf ein Vertrauen in den Kapitalismus, aber die Überzeugung, dass der Markt der Gesellschaft dienen soll und nicht andersrum. Diese Ansicht setzt sich langsam aber sicher auch im Bereich der klassischen Ökonomie durch – und dass es kein grenzenloses Wachstum geben kann, sollte inzwischen eigentlich klar sein. Nur: Es handelt niemand danach. Politik funktioniert noch immer so, als gäbe es das, in diesen Wochen erleben wir wieder, dass Arbeitsplätze in Großunternehmen gefährdet sind und damit Druck auf die Politik gemacht wird, dabei ist es eigentlich völlig logisch, dass Arbeitsplätze, dass Wohlstand im Allgemeinen schon seit Jahren nicht mehr von großen Konzernen, sondern von Gründern geschaffen werden.

Faltin sagte einst in einem Interview, dass seine Generation vergessen habe, zu sehen, dass das Märchen vom Schlaraffenland, in dem man so viel Kuchen essen kann, wie man möchte, längst Wirklichkeit geworden ist, aber die Gesellschaft noch immer denke, man bräuchte mehr Konsum. Faltin ist eine Koryphäe auf dem Weg zu einer besseren Ökonomie, auf einer der Menschheit dienenden Ökonomie – und er schafft es, diesen Geist in einem dünnen, leicht verständlichen Bändchen zu transportieren – und das so gut, dass ich nach der Lektüre des Buches Lust habe, selbst Gründer zu werden. Dafür vergebe ich ohne Zweifel 5/5 Sternen und tue dies stellvertretend für alle Publikationen in dieser Richtung, denn ich hoffe inständig, dass es in den nächsten Jahren zu einem gesellschaftlichen Umdenken kommen kann. Und dafür ist Faltin ein großartiger Pionier.

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