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Knecht Ruprecht – Theodor Storm

Heute, am zweiten Advent gibt es noch einen absoluten Klassiker im Romanfresser-Adventsgedichtkalender. Der Einstiegsvers „Von drauß‘ vom Walde komm ich her“ ist eines der bekanntesten Zitate der Weihnachtszeit. Dennoch ist das Gedicht eigentlich etwas länger, als man es gemeinhin kennt. Die gesamte Version könnt ihr beispielsweise hier nachlesen: http://gutenberg.spiegel.de/buch/theodor-storm-gedichte-3485/230

Zu diesem Gedicht kann man formal wieder nicht so wahnsinnig viel erzählen. Die Verse sind nahezu durchgängig vierhebig, mal jambisch, mal etwas daktylischer, das Metrum ist also etwas freier. Eine richtige Aufteilung in Strophen gibt es nicht, aber es gibt zu im Wesentlichen zwei bis drei Abschnitte des Gedichts. Das spannendste auf dieser Ebene ist vermutlich, dass es in diesen paar Zeilen bereits eine Binnenerzählung, nämlich den Dialog mit dem Christkind, von dem Ruprecht berichtet, gibt und somit, sieht man es erzählanalytisch hier schon zwei Erzählebenen existieren. Also gibt es den Dialog mit dem Vater und den mit dem Christkind als Sinnabschnitte des Gedichts. Inhaltlich erzählt Ruprecht von seiner Unterhaltung mit dem Christkind und etabliert damit seine eigene Rolle als derjenige, der quasi einen Gruß vom Christkind überbringt, bevor dieses dann selbst kommt. Außerdem ist er auch derjenige, der die Kinder für ihr Verhalten mit der Rute straft. Der Vater muss dann dem Knecht mehrmals versichern, dass die Kinder zwar typisch für Kinder manchmal Flausen im Kopf haben, aber grundsätzlich absolut brave Kinder sind – und so lässt Ruprecht dann auch kleine Geschenke da.

Theodor Storm als romantischer Autor thematisiert das Weihnachtsfest häufig, auch autobiografisch motiviert, er sagt über sich selbst, dass das Weihnachtsfest sein Lieblingsfest war – und die Ankunft des Christkindes der Höhepunkt des Jahres ist, der lange und ausführlich vorbereitet wird. Die ursprüngliche Fassung des Gedichtes, die auch die bekannte ist, endet mit der Frage „Sind’s gute Kind, sind’s böse Kind?“ – erst in einer Novelle „Unter dem Tannenbaum“ wird das dann durch den Vater beantwortet und oben angesprochener Dialog entwickelt sich, was dem Gedicht diese Tiefe gibt – und nur so erklärt sich auch, wieso ich eben die Erzähltheorie angesprochen habe, denn normalerweise wendet man das nicht auf Gedichte an.

Mit einer klassischen Gedichtinterpretation kommt man hier alllerdings nicht so wirklich weit. Die typisch lyrische Bildsprache ist hier eigentlich nicht vorhanden, man kann nicht so wahnsinnig viel zwischen den Zeilen lesen, keine komplexen Metaphern – einzig der Ruprecht-Mythos wäre ein paar Worte wert. Knecht Ruprecht und Sankt Nikolaus sind eigentlich zwei verschiedene Personen, die zusammen durch die Lande ziehen und am Vorabend des sechsten Dezembers wahlweise Geschenke oder Schläge verteilen – Ruprecht ist also der böse Gegenspieler des Nikolaus. Im Protestantismus des 17. Jahrhunderts fand dann eine Vermischung der beiden Figuren stand – und das scheint eben auch hier der Fall zu sein. Ruprecht straft und verteilt gleichermaßen Geschenke.

Was bleibt also von diesem Gedicht übrig. Es ist ein Weihnachtsklassiker, es ist dieses idealisierte, romantische Bild von Weihnachten, der gute Geist der gerecht ist. Von den Züchtigungen würde die heutige Pädagogik Abstand nehmen, aber dieses Bild ist noch immer die klassische Vorstellung von Weihnachten. Und es ist eben auch einfach ein sehr heimeliges Bild, wie die ganze Familie zuhause sitzt und aufs Christkind wartet, während Gedichte deklamiert und Lieder gesungen werden. Und da darf der Knecht Ruprecht einfach nicht fehlen. Ja, man kann da jetzt eine kritische Perspektive einnehmen, da werden Kinder geschlagen, da werden mal wieder die Geschenke in den Vordergrund gerückt. Aber das hatten wir letzte Woche – jetzt wird es doch bitte etwas besinnlich, oder?

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