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Hanni und Nanni schmieden neue Pläne (#02)

Auch der zweite Band der Reihe ist noch eine Übersetzung der englischen Bände, das englische Original erschien im Jahr 1942 unter dem Titel „The O’Sullivan Twins“ und hier wird nicht nur deutlich, dass den Zwillingen im Deutschen ein „O“ geklaut wurde, sondern auch, dass die deutschen Titel natürlich gar nichts mit den Übersetzungen zu tun haben.

Ich muss zugeben, eine Sache, die mich früher recht kalt gelassen hat, fiel mir bei dem erneuten Lesen auf, dass es doch reichlich seltsam ist, dass die gerademal zwölf oder dreizehnjährigen Mädchen (im ersten Band wird gesagt „schade, dass unsere alte Schule nur Mädchen bis zwölf aufnimmt) so regelmäßig schon Kaffee trinken – und ich habe mich gewundert, ob das damals so üblich war, weil ich jetzt meine zwölfjährigen Schüler nicht unbedingt jeden Tag Kaffee trinken lassen würde. Schaut man sich aber mal den englischen ersten Band an, wird klar, woran es liegt. Dort steht an der gleichen Stelle etwas von „fourteen“ – die Mädchen sind in der englischen Fassung also einfach mal zwei Jahre älter – und dass man in der Zeit mit vierzehn, fünfzehn schon Kaffee trank, weiß ich aus erster Hand.

Aber kommen wir zum zweiten Band. Es geht wieder los mit Lindenhof und sofort werden die neuen Charaktere etabliert: Elli, die Cousine der Zwillinge, die noch sehr ‚mädchenhaft‘, schwärmerisch, eingebildet und naiv ist und es in diesem Band auch bleiben wird und die mürrische Margret, die sehr zurückgezogen und schlecht gelaunt ist. Nachdem Elli in die Strukturen von Lindenhof eingeführt werden soll, ist wieder eine Mitternachtsparty zum Anlass eines Geburtstags der dritten Klasse geplant. Erika verdirbt diese jedoch, indem sie die Mädchen verrät – muss jedoch dann auch die Strafe der Mädchen aussitzen und wird zudem noch von ihrer Klasse geschnitten – also man spricht nicht mehr mit ihr. Schließlich beginnt Erika Bosheiten zu begehen – und sie schafft es zuverlässig, Magret die Schuld zuzuschieben. Gegen Ende des Bandes gelingt es Magret sich zu bewähren, Erika aber scheitert und wird demnächst die Schule verlassen.

Ich hatte es schon erwähnt, aber in diesem Band sieht man es ganz deutlich. Die Pädagogik und das propagierte Sozialverhalten dieser Bände ist alles andere als heutzutage noch geläufig. Mädchen nicht in die Stadt zu lassen, nachdem sie ein Mitternachtsfest gefeiert habe, ist das eine. Aber ungeliebte Klassenkameradinnen einfach zu ignorieren und keine der Lehrerinnen schreitet ein, sehen die Strafe sogar als verdient an – das geht eindeutig zu weit, so sollte sich heute niemand mehr verhandeln. Unter diesem Hintergrund wird es gleich doppelt sinnlos, dass die Bücher stetig neu überarbeitet werden, ihre propagierten Inhalte sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Das ist gefährlich, denn durch die neuen Formulierungen, die Neuausgaben und die poppige Aufmachung wird viel mehr der Anschein erregt, dass die Bücher noch zeitgemäß, aber das sind sie schlichtweg nicht mehr – und es ist viel mehr an den Eltern, den Kindern das zu erklären und Aufgabe der Verlage, diese Bücher nicht zeitgemäßer wirken zu lassen, als sie sind.

Aber auch der zweite Band schafft es noch gut, die Eigenheiten des Internatslebens darzustellen. Etwas mehr Gewicht liegt in diesem Band beim Sport, es gibt Handballtuniere und Elli wird ständig damit aufgezogen, dass sie unsportlich ist, sportliche Leistungen werden gewürdigt und Eitelkeit verpönt. Einige Charaktere machen richtige Entwicklungen durch, Magret ist ein gutes Beispiel und großes Vorbild, manche Mädchen sind dazu nicht in der Lage, wie beispielsweise Erika. Sie scheitert und wird zwar nicht direkt von der Schule geworfen, der Wechsel wird ihr aber nahegelegt.

Gerade die Charakterstudien dieses zweiten Bandes und das authentische Gefühl, das ich auch schon im ersten Band gelobt habe, führen dazu, dass ich auch hier gerne noch 3,5/5 Sternen vergebe – etwas ziehe ich dafür ab, dass bereits in diesem Band die Zwillinge nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, sich nicht weiter entwickeln und eigentlich nur noch Stichwortgeber für andere Handlungsstränge sind – eine Tendenz, die in den Folgebänden noch verstärkt werden wird. Aber dazu später mehr.

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