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Ein Brief – Hugo von Hofmannsthal

Zu diesem Werk gibt es leider kein Foto, mangels Buch zum Zeigen. Wir haben das Werk kopiert auf 3 DIN-A4 Seiten bekommen, ein sehr kurzes Werk also, trotzdem eines meiner Lieblingswerke.

Lord Chandos blickt auf ein hochgelobtes Frühwerk zurück, von ihm werden jetzt weitere schriftstellerische Aktivitäten erwartet. In einem Brief an Francis Bacon erklärt er, warum das in den letzten 2 Jahren nicht der Fall war und auch nie wieder sein wird. Sein Wahrnehmungsvermögen und seine Ansprüche an eine Sprache haben sich massiv verändert. Statt einer Hochsprache, die sehr figurativ wirkt, sucht Chandos nun nach einer Sprache, die es einfach nur schafft, in klaren Worten seine Gefühle auszudrücken, Gefühle, die auf einer anderen Bewusstseinsebene, ja gar aus einer anderen Dimension zu kommen scheinen, für die die Sprache, wie wir sie kennen, nicht gemacht ist.

Infolgedessen gibt Chandos seine schriftstellerische Tätigkeit auf.

Für mich war dieser Brief der Schlüssel zu moderner Literatur und Kunst, insbesondere der des Expressionismus. Ich konnte solche Werke vorher nicht verstehen, aber mit Hilfe des Chandosbriefes und der versuchten Darstellung dieser übersinnlichen Empfindungen wurde mir einiges deutlich klarer.

Sicherlich ist der Chandosbrief ein ziemlich kompliziertes und schwieriges Werk. Die Überforderung des Autors (und des fiktiven Autors) wird deutlich in endlosen Sätzen, die eigentlich gar kein Ziel haben, es geht gefühlte Ewigkeiten lang um winzige Empfindungen, die den Alltag von Chandos jedoch erheblich stören und man muss zunächst einmal hinausfiltern, was jetzt wirklich Teil der Geschichte ist.

Die autobiografischen Elemente im Chandosbrief sind nicht zu unterschätzen. Eigentlich bildet der Brief das Gefühl ab, das Hofmannsthal angesichts der rasenden Entwicklung (auf technologischer und philosophischer Ebene) zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte, damit das gleiche Gefühl, dass auch die Expressionisten hatten, als sie ihre Werke verfasst haben.

Mich hat der Brief tief berührt und ein tiefes Verständnis für andersartige Kunst gebracht. Wer ihn lesen möchte, kann ihn sich beim Guttenbergprojekt ansehen und ausdrucken – als alleinstehendes Werk zu kaufen gibt es ihn nicht. Wer trotz Allem Geld ausgeben möchte, findet ihn hier für 6€ in einem Sammelband von Reclam.

Ich gebe dem Chandosbrief volle 5/5 Sternen – trotzdem würde ich ihn nicht unbedingt jedem empfehlen – der Zugang zu dem Werk ist recht schwierig, lohnt sich aber. Fazit: Für interessierte grandios, für Außenstehende vielleicht nicht verständlich.

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