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Der Mord an Roger Ackroyd (Alibi) – Agatha Christie

Ein weiterer Christie, ein weiterer Krimi mit Hercule Poirot, wieder als ungekürztes Hörbuch. Diesmal aber mit einem anderen Sprecher, der dem sympathischen Ermittler leider einen französischen Akzent aufdrückte. Ich mag das ja nicht so besonders gerne, aber es war noch zu ertragen. Doch kommen wir erstmal zum Krimi an sich.

In einem kleinen Dorf treffen sich der Arzt und ein Anwesensbesitzer auf ein Essen nach dem Dinner. Seine Verlobte hat sich kürzlich selbst getötet, nachdem sie durch die Ermordung ihres ersten Mannes in Ungnade fiel und seit einem Jahr erpresst wird. Schließlich kommt ein Brief, in dem sie ihren Erpresser nennt. Roger Ackroyd bittet den Doktor, zu gehen, um den Brief alleine zu lesen. Keine Stunde später empfängt der Doktor einen Anruf: Ackroyd sei ermordet worden. Unklar ist jedoch alles. Wo kommt dieser Anruf her? Tatsächlich finden sie Ackroyd ermordet mit einem Dolch. Und die Umstände bleiben rätselhaft. Ein Verdächtiger ist verschwunden, obwohl viele von seiner Unschuld überzeugt sind. Gut, dass kürzlich Hercule Poirot ins Dorf gezogen ist. Eigentlich wollte sich der Detektiv hier zur Ruhe setzen und Kürbisse züchten, doch jetzt wird er gebeten, die Wahrheit über diesen Mordfall herauszufinden.

Ich will an dieser Stelle nichts weiteres erzählen, weil vermutlich alles weitere euch zu viel der Spannung nimmt – das ist ja immer das zentrale Element bei Agatha Christie. Während es bei einigen Krimis eigentlich nicht so interessant ist, wer der Mörder letzten Endes war, weil der Kommissar die interessante Figur ist oder weil der Weg zum Mörder hin das Spannende ist – ich bin ja auch ein großer Freund davon, wenn der Mörder schon am Anfang bekannt ist und dann „nur“ noch die Beweise oder wahlweise der Mörder selbst fehlen – ist bei Agatha Christie die Lösung am Ende das zentrale des Krimis. Und es läuft wieder alles in klassischer Whodunit-Manier. Der geschlossene Personenkreis in Form der Bewohner und Besucher des Anwesens ist nicht ganz so verschlossen, wie im Orientexpress, aber schnell geht es nur noch um einen kleinen Kreis von Verdächtigen. Insgesamt treten in diesem Buch inklusive der Verstorbenen gerademal 14 Personen auf, was wirklich nicht viel ist. Allerdings gibt es hier tatsächlich eine parallel ermittelnde Polizei, die sich aber dann in den entscheidenden Stellen so weit im Hintergrund hält, dass es nur noch um Poirot gilt. Und schließlich leistet er hier auch wieder gute Arbeit und kann den Fall vollständig aufklären. Witzigerweise gibt es noch ein weiteres Buch von einem französischen Literaturwissenschafter und Psychoanalytiker, wo ein alternatives Ende vorschlägt und nachzuweisen sucht, dass der gefundene Mörder unschuldig ist. Ich glaube, wenn ich mal Zeit und Lust habe, lese ich dieses Buch gleich auch noch.

Was an diesem Buch besonders ist, ist, dass Christie einen Ich-Erzähler einsetzt. Das ist der Doktor, der an Poirots Seite ermittelt und hier sozusagen die Position des Sidekicks einnimmt, der immer etwas später auf die Wahrheit kommt, als Poirot. Insgesamt ist das erzählerisch ein recht gelungener Kniff, wobei ich wirklich Probleme hatte, mich damit anzufreunden. Generell lief das Anfreunden nicht ganz so reibungslos und fließend ab, wie beim Mord im Orientexpress, ich brauchte mehr Zeit, um in das (Hör-)Buch hineinzukommen – aber spätestens ab der Mitte war ich wieder vollends gefangen und konnte es kaum abwarten, endlich weiterzuhören. Denn es ist wieder wahnsinnig gut und systematisch erzählt, es wird viel Spannung aufgebaut, es geschehen jede Menge schöne Zufälle – eine Rezensentin kritisierte, dass es etwas zu konstruiert wirkt – die die Geschichte stützen und schließlich endet alles in einem ziemlich gelungenen Ende. Ich werde jetzt in Zukunft nochmal ein paar weitere Agatha-Christie Bände lesen bzw. hören und dann mal schauen, ob es auch einen Band von ihr gibt, wo das Ende nicht derartig unerwartet ist. Ich werde berichten! Bis dahin bekommt der Band 4/5 Sternen für einen großartigen Krimi. Und ich habe gerade das Gefühl, ich könnte noch zwanzig weitere Krimis dieser Art lesen und hören und mir würde nicht langweilig werden. Stellt euch also darauf ein.

1 Kommentar

  1. Der Ich-Erzähler ist gar nichts Besonderes, weil sonst oft Captain Arthur(?) Hastings den Doktor Watson gibt, sofern keine Begebenheiten außerhalb des Gesichtskreises der Privatdetektive berichtet werden müssen. Hier wird an Hastings’ Stelle aus dem Dorf eines vorübergehenden ländlichen Unruhesitzes des mit Kürbiszucht gleichzeitig unter- und überforderten Zu-Früh-Rentners Hercule Poirot ein tatsächlicher Arzt gebraucht, der die Dorfbewohner kennt und mit ihnen vertraut ist. Hastings könnte sich erst im Laufe der Ermittlungen in jemanden verlieben, den er ungern als schuldig entlarvt sehen möchte. Ein bereits ortsansässiger Arzt hingegen mag sich in älteren gefühlsmäßigen Verstrickungen befinden, die ihm Poirots Lösung des Falles schmerzlich zu Herzen gehen lassen, so dass auch wir mit den Gefühlen des Ich-Erzählers uns identifizierenden Lesenden am Ende emotional aufgewühlt sind!

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