Permalink

0

Blue (Da Ba Dee) – Eiffel 65

Musik ist ja ein wichtiger Teil der Kulturszene. Und bei vielen Songs freut man sich über den schönen Gesang und die tollen Stimmen, lässt den Text aber völlig im Hintergrund. Manchmal sicherlich zurecht, aber viel zu oft ist auch der Text eines Songs ziemlich anspruchsvoll und lyrisch wertvoll. Und da wir uns in dieser Serie ja mit allen Formen von Lyrik beschäftigen wollen, schauen wir uns doch mal einige Songs an. Unser erster Song ist vermutlich völlig unerwartet, ist es doch ein typischer Partysong, wie er vermutlich noch heute in Diskotheken in aller Welt läuft – und bei dem es eigentlich nur um das „da-ba-dee“ ankommt, das dann fleißig mitgesungen wird – eben ein völlig sinnloses Lied, bei dem der Inhalt keinen Sinn ergibt, wie das bei Partysongs und gerade in der Ballermann-Szene ja absolut üblich ist. Könnte man denken. Und tatsächlich steht im Wikipediaartikel zu diesem Song jede Menge über den Erfolg, aber nichts zum Inhalt. Hier ist für euch der Text zum mitlesen: http://www.azlyrics.com/lyrics/eiffel65/bluedabade.html

Zu den Formalia, die ich gerne so ausführlich diskutiere, gibt es bei Refrains nicht viel zu sagen. Es gibt ein fast gesprochene Intro von 9 Versen, den Refrain, der oft wiederholt wird – und den wir hier vernachlässigen wollen – es gibt eine Strophe mit 8 Versen, die zweimal gesungen wird und das Outro liefert textlich nichts neues mehr. Wir haben also insgesamt 17 Verse in zwei Strophen, die wir analysieren können. Dabei ist vor allem auffällig, dass das Intro aus der Perspektive des Außenstehenden geschrieben ist und die Strophe in der Ich-Perspektive, denn inhaltlich sind die beiden Teile recht ähnlich, Haus, Fenster und Corvette kommen in beiden Strophen vor. Bis hierhin könnte man meinen, es ist tatsächlich recht inhaltsleer. Schauen wir also in das Lied hinein.

Ein Mann lebt in einer blauen Welt, alles was er sieht ist blau. Haus, Frau, Auto, Kleidung, Straßen, Fenster, Bäume, alles ist blau für ihn – denn er hat niemanden, der ihm zuhört. Selbst die Worte und seine Gefühle in ihm sind blau. Viel mehr passiert inhaltlich nicht. Doch was heißt das?

Der wichtigste Schlüssel zu dem Text ist, dass Blau hier keineswegs die Farbe beschreibt. Die englische Pharse „feeling blue“, aus der auch die Musikrichtung des Blues abstammt und die es schon seit hunderten von Jahren gibt. Die Onlinewörterbücher sagen, dass das Wort „associated with depression“ ist und für das Gefühl von „sadness“ steht. Und liest man das Lied so, ist es völlig offensichtlich, dass das lyrische Ich in einer Blase aus Traurigkeit gefangen ist. Dass nicht die Welt blau ist, sagt bereits der Erzähler im Intro „Everything is blue for him“ und schließlich sagt es das lyrische Ich auch selbst „Blue are the feelings that live inside me“. Die ständigen Wiederholungen ergeben dann auch Sinn, weil im lyrischen Ich diese Gefühle immer wieder ablaufen. Es hat keinen Ausweg, keine Perspektive, in keiner Zeile wird dieses Gefühl irgendwie gebrochen. Zumindest textlich nicht.

Und hier kommt meine steile These: Das lyrische Ich hat sich damit abgefunden. Und noch weiter: Die Depression des Ichs ist die typische Ohnmacht des aktuellen Kapitalismus und in den Strophen reflektiert es seine Situation, dass der Alltag in der modernen Gesellschaft voller schlechter Gefühle ist. Im Refrain bricht es jedoch aus, lässt diese Gefühle gleichgültig beiseite und gibt sich voll und ganz dem Tanzen und dem Feiern aus Trotz über die eigene Situation hin.

Was wäre eine steile These ohne ein paar Indizien, die dafür sprechen. Zwei Stück habe ich mindestens, alle sind aber weit weniger offensichtlich als der Befund der „sadness“:

Erstens diese Musik-Text-Verbindung. Die tanzbare Musik, die Konzeption als Tanzlied und dann die (auch im Publikum) deutlich ruhigeren, fast schon reflektierten und trotzdem irgendwie monotonen, sich wiederholenden Strophen ergeben einen Kontrast, die sich aber gegenseitig bedingen, schon fast in einem dialektischen Verhältnis stehen, wenn man es mal etwas ausführen möchte.

Zweitens die intertextuellen Bezüge. Der Song gehört zum Album Europop und dort gibt es „Too much of heaven“, einen Song, der sehr nachdenklich beschreibt, wie viele Menschen allein nach Geld und dessen Vermehrung streben und den Song „Move your Body“, der sich mit der Verbindung von tiefen Gedanken und tiefer Bewegung „If you want to move your mind, move your body“ beschäftigt. Und beide Gedanken spielen sicherlich auch in dieses Lied mit hinein.

Klar, ein bisschen weit hergeholt kann das vielleicht sein, aber ich finde, es ist ein Ansatz, den man zumindest noch weiterverfolgen sollte, denn in den Songs der Band steckt in vielen Fällen mehr als man bei recht trivialer Dancemusik erwarten sollte – und genau für solche Sachen möchte ich diese Plattform hier gerne nutzen.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.