Permalink

0

Allegiant – Veronica Roth

Cover von The Silkworm

 


Es ist eines der Bücher, die ich unbedingt sofort zum Erscheinungsdatum haben wollte und die ich dann natürlich nicht sofort gelesen habe. Jetzt, fast ein Jahr, nachdem der Hype eigentlich schon wieder durch ist, habe ich den letzten Teil dann auch endlich durchgelesen.

Um nicht zu viel zu spoilern (denn davon gibt es in diesem Band einiges), nur eine ganz kurze Einführung in den Inhalt: Nachdem die Fraktionen aufgelöst sind und in Chicago verschiedene Gruppierungen um die Macht kämpfen, schließen sich Tris und Tobias einer Widerstandsgruppe an, doch nur als Mittel zum Zweck um endlich zu erfahren, was außerhalb des Zaunes ist. Und das, was sie dann außerhalb erfahren, stellt ihre gesamte Existenz infrage, hält jedoch auch einige frustrierende Erkenntnisse für sie bereit, die sie dazu bringt, weiter für ihre Ideale einzutreten.

Puh, wie sagt man etwas zu diesem Buch, ohne möglichst viel zu verraten? Fangen wir beim Ende an, das ja für sehr viele Kontroversen gesorgt hat und wahrscheinlich auch der Hauptgrund dafür ist, dass das Spiel mit eher durchschnittlichen drei Sternen bei Amazon bewertet ist. Ich finde es grandios. Zuerst dachte ich nur „Was? Häh? Was ist da passiert?“ Und dann irgendwann, einige Seiten später wird alles klar. Und wer es auch dann noch nicht versteht, dem sei die Erklärung der Autorin auf ihrem Blog ans Herz gelegt. Es ist die einzige logische Fortführung der gesamten Figur, der Abschluss der Entwicklung, die sich durch alle drei Bände gezogen hat und eigentlich die Auflösung dieser ganzen Situation, denn, was hier in Allegiant passiert, ist ur-dystopisch.

Waren Divergent und Allegiant noch Jugendbücher mit einem dystopischen Weltentwurf, kommt in Allegiant dieser Entwurf, der ja in Insurgent schon wieder von den Subjekten selbst verworfen wurde, auf eine ganz neue Ebene. Schlagartig wird klar, was diese Welt eigentlich war, wie und warum es sie gab und dass sie eigentlich nur symptomatisch für die gesamte Gesellschaftsentwicklung stand und dass diese scheinbare Lösung in keiner denkbaren Form irgendwie zu einer Lösung hätte führen können. Dennoch ist der in Allegiant stehende Gesellschaftsentwurf keine unlösbare Situation, sondern wird ganz konsequent durch die Protagonisten zu einer Lösung gebracht, mit allen Rückschlägen und Opfern, die so etwas erfordert.

Der dystopische Gesellschaftsentwurf in Allegiant lässt sich eigentlich auf eine besonders perfide Form von Rassismus zurückführen. Es gibt Menschen, die grundlos anders sind und deshalb von der einen Gruppe ausgegrenzt werden; eine andere Gruppe möchte sie heilen und sie selber glauben nicht, dass sie etwas Besonderes sind, dass das sie so anders macht und wollen einfach nur Teil der Gesellschaft sein – es geht letzten Endes um eine Art Inklusion. So wie es Menschen gibt, die denken, Homosexualität sei eine heilbare Krankheit, so wie es Menschen gibt, die Rollstuhlfahrer nicht als vollwertige Menschen ansehen und so ähnlich ergeht es den „Geschädigten“ in Allegiant. Kann man die ganze Serie also auf eine Parabel über Inklusion reduzieren. Joa, könnte man. Das wäre aber nur ein Teil des Ganzen, sozusagen der gesellschaftskritische Kern der Dystopie. Dann würde man all die anderen tollen Aspekte des Buches übersehen.

Die genialen Charakterkonstellationen, die mitunter ziemlich komplex und doch gut durchdringbar sind, die schön ausgearbeitete und grandios beschriebene Liebesgeschichte, die zahlreichen, nicht immer vorhersehbaren Wendungen – all das macht Allegiant eben auch aus und das ist sicherlich nicht schlechter als in den Vorgängerbänden. Es ist anders, es ist ein Bruch mit allem, was vorher war, den man sicherlich diskutieren kann. Ich fand das dahinterstehende Motiv und dessen Umsetzung klasse und bin sehr beeindruckt von dem Meisterwerk, aus einem wunderschönen dystopischen Jugendroman eine weltumspannende Dystopie mit einer kongenialen Auflösung zu erschaffen.

Man merkt es mir an, ich fand Allegiant ziemlich gigantisch und habe größten Respekt vor dieser schriftstellerischen Leistung. Die zahlreich geäußerte Kritik kann ich teilweise nachvollziehen, aber so gar nicht teilen. Viele Kommentare zeugen von einer Haltung, dass man sich nicht aus der kleinen Welt der Handlung lösen möchte und sich in dieser großen Welt außerhalb des Zaunes schlicht nicht wohlfühlt. Dass solche Kritik geäußert wird, ist nichts anderes als das größtmögliche Kompliment an die Autorin, denn hier wird deutlich, dass die Emotionen der Charaktere deutlich rübergekommen sind. Die Charaktere sind mit der Welt draußen überfordert, suchen nach einfachen Lösungen und eigentlich hat das alles nichts mir mit ihrem schönen kleinen Leben in den Fraktionen zu tun. Und genau das ist es, was den Band für mich ausmacht. Es wird alles komplett zerstört. Wie im klassischen Drama, der dritte Akt ist die Katastrophe. Klasse konzipiert, genial umgesetzt. Das hat mit leichter Jugendlektüre nicht mehr viel zu tun, das ist sicherlich anspruchsvoll und man muss sich darauf einlassen, nicht einfach ein schönes romantisches Ende präsentiert zu bekommen. Ich liebe es und vergebe auch hier gerne volle 5/5 Sternen. Es ist unglaublich lesenswerte Jugendliteratur mit ernstem Hintergrund, die ich nur jedem Leser an Herz legen kann, der auch mal etwas anspruchsvollere Kost vertragen kann. Ich denke, so 14 bis 16 sollte man schon sein?

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.