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Serapionsbrüder #20: Das Fräulein von Scuderi

k-WP_20151112_003Im Anaconda-Verlag gibt es kleine Hardcover-Klassiker an Bahnhöfen für zwei, drei Euro. Und in dieser Reihe fast schon omnipräsent ist das Fräulein von Scuderi. Wikipedia schreibt davon, dass die Geschichte wohl die erste deutsche Kriminalnovelle sei. Und hier in dieser Erzählsammlung steht diese, sehr bekannte Geschichte ganz unschuldig an zwanzigster Stelle als Eröffnung des sechsen Serapiontischen Abends und umfasst um die 80 Seiten.

In Paris im 17. Jahrhundert geschehen einige seltsame Morde, bei denen Juwelen gestohlen werden. Die ältere Dame, Fräulein von Scuderi erhält ein Schmuckgeschenk von einem unbekannten jungen Mann – scheinbar ist das Geschenk von dem angesehensten Goldschmied – der aber Schwierigkeiten hat, sich von seinen Schmuckstücken zu trennen – gefertigt, der ihr das Geschenk auch als von ihm gesendet bestätigt. Einige Zeit darauf wird sie aufgefordert, den Schmuck schnell zurückzubringen. Doch als sie dazu kommt, ist der Goldschmied ermordet worden und der Lehrling, der sich mit seiner Tochter vermählen sollte, ist angeklagt. Seine Angebetete ist von der Unschuld überzeugt und wendet sich an das Fräulein, um diese Unschuld zu beweisen. Und welche Rolle sie im Leben des Lehrlings spielt und ob der Lehrling tatsächlich Anführer einer Verbrecherbande war, gilt es nun herauszufinden – was dem Fräulein am Ende aber auch bravourös gelingt, sodass sie sogar vom König selbst dafür belobigt wird.

Ich kann jetzt hier natürlich nicht die Lösung des Falls präsentieren, das wäre ja langweilig und wer wäre ich, dass ich euch hier die älteste deutsche Kriminalnovelle spoilern würde. Denn ich kann auch so ganz gut über die Geschichte, die auf reale historische Vorgänge zurückgeht, berichten. Bereits in der Nachbesprechung erklärt Sylvester, der gerade auch eines seiner Dramen auf die Bühne brachte, er habe sich von Wagenseils Nürnberger Chroniken und von einem wahren Fall inspirieren lassen – was die Freunde als sehr serapiontisch loben, generell wird die Geschichte hoch gelobt.

Was die klassischen Leitmotive von Hoffmann angeht, haben wir hier relativ wenig in der Geschichte, es gibt nicht wirklich übersinnliche Elemente, wenngleich es auch etwas mysteriös ist, aber es kommt der Kunst mal wieder eine Rolle zugute, allerdings hier der Handwerkskunst und nicht unbedingt den Bildern, die ja in den früheren Geschichten eine Rolle spielten. Hier hingegen wird – wie im Meister Martin – ein Handwerk bis zur Perfektion stilisiert und es geht mal wieder um die Tochter eines Handwerksmeisters, wenn auch hier nicht so tragend und wichtig wie im Meister Martin. Generell ist das Motiv der Vermählung bei Hoffmann unglaublich präsent. In nahezu jeder Geschichte geht es irgendwie darum, den Partner fürs Leben zu finden. Ich bin mir nicht sicher, ob das einfach für ihn persönlich ein tragendes Thema war, oder ob es einfach das Thema des Lebens war, um das sich alle Gespräche gedreht haben.

Dieser Geschichte wird eine enorme Resonanz zuteil. Sechs Verfilmungen, drei Hörspiele, eine Oper, eine Rockoper, ein Ballett – und selbst die Psychologie bezeichnet das Syndrom, an dem der Goldschmied leidet in Anlehnung an die Geschichte als Cardillac-Syndrom. Auch mir gefiel die Geschichte wirklich gut, sie liest sich gut und spannend, die Lösung ist clever durchdacht und gut konstruiert – es ist wirklich eine tolle Kriminalnovelle und sicherlich lesenswert. Also wenn ihr keinen Bezug zu Hoffmann habt, dann besorgt euch doch mal dieses Büchlein für die nächste Zugfahrt. Ansonsten ist die Novelle ja ohnehin Pflichtlektüre, oder?

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