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Serapionsbrüder #08: Nussknacker und Mäusekönig

k-WP_20151112_003Der heutige Text ist über drei Ecken berühmt geworden. Von Dumas adaptiert und dann von Tschaikowski als Ballett vertont. Das Ballett Der Nussknacker ist weltberühmt, die Geschichte wurde mehrere Male als Zeichentrickfilm umgesetzt und erfreut sich gerade in Russland enormer Beliebtheit. Zugleich ist sie mit zirka 70 Seiten die bisher umfangreichste Geschichte aus den Serapions-Brüdern und erschien zuerst in einer Sammlung von Kindermärchen im Jahr 1916.

Die Geschichte selbst ist bestimmt in Grundzügen bekannt: Ein junges Mädchen bekommt mit ihren Geschwistern zusammen unter Anderem einen Nussknacker zu Weihnachten geschenkt, als diesem dann drei Zähne ausfallen, kümmert sie sich um ihn. Doch schon kurz darauf, passieren merkwürdige Sachen, der Nussknacker liefert sich ein Duell mit der Armee von Mäusen, später fordert die Mäusearmee dann ihren Tribut von dem Mädchen, damit sie den Nussknacker in Ruhe lässt. Dieser jedoch verlangt nur nach einem Schwert, besiegt den Mäusekönig und bringt das Mädchen ins Schlaraffenland. Da er, als verzauberter Prinz, nun dank ihr von seinem Nussknackerdasein erlöst ist, möchte er sie nun heiraten.

Ist das nicht herrlich? Erst vor kurzem habe ich mich mal wieder ein bisschen mit den Kinder- und Hausmärchen auseinandergesetzt und jetzt lese ich diese Geschichte, die sich dort so wunderbar einfügen wurde. Sie ist vielleicht ein bisschen lang, um sie am Heiligabend vor der Bescherung vorzulesen, aber eigentlich ist dieses Kunstmärchen geradezu ein wundervolles Stück romantische Prosa, das auch schon sehr jungen Lesern zugänglich sein dürfte.

Dass diese Geschichte als phantastisch zu bezeichnen ist, braucht wohl kaum infrage gestellt zu werden und das auf so vielen Ebenen. Die Erscheinungen, die das Mädchen hat, die aber nicht alle nicht existent gewesen sein können, sonst wäre sie ja jetzt nicht verheiratet – oder ist auch das nur Einbildung? Der reale Mausebefall der Familie, die Verletzungen des Mädchens, die seltsame Wandlung des Nussknackers… Es lässt sich eigentlich alles auch rational erklären, aber natürlich liegt die phantastische Deutung viel näher und ist auch wesentlich reizvoller – nicht nur für das Mädchen, sondern natürlich auch für den Leser.

Ist diese Geschichte serapiontisch? Ich weiß gar nicht so genau. Schafft das Mädchen irgendwie aus dem Inneren heraus? Der Uhrmacher? Ist die Geschichte von Innern heraus geschaut? Letzteres wahrscheinlich schon. Das serapiontische Prinzip ist also hier nicht direkt in der Geschichte verankert, sondern ist eher so in der Rahmenhandlung der Serapionsbrüder relevant. Wobei ich in den letzten Geschichten ohnehin das Gefühl hatte, dass die Zwischengespräche nicht mehr so spannend sind, zwar wird auch hier ein bisschen über die Geschichte gesprochen, im Wesentlichen wird darüber gesprochen, welche Zielgruppe die Geschichte bedient und wie gelungen sie ist – als Fazit bleibt stehen, dass es zumindest nach der dunklen Geschichte zuvor eine heitere Geschichte ist, die den Abend fröhlich beschließt, denn mit dieser Geschichte endet der erste Band und der zweite Abend der Serapionsbrüder.

Alles in allem ist das hier ein wunderschönes Kunstmärchen. Der Vergleich zu Tieck wird nochmal gezogen und obwohl ich noch nichts von ihm gelesen habe, weiß ich, dass er eine der wichtigsten Figuren im romantischen Kunstmärchen ist – und ich würde sagen, wenn es ein tolles Kunstmärchen gibt, das man sich anschauen sollte, ist der Nussknacker mit dem Mäusekönig sicherlich einen zweiten Blick auch über das Ballett hinaus wert. Und das Ballett würde ich auch gerne mal sehen.

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