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Serapionsbrüder #03: Die Fermate

k-WP_20151112_003Weil ich an den Adventssonntagen etwas besonderes vorhabe, ziehen die Serapionsbrüder solange auf den Freitagsslot. Daher schon heute: Die Fermate!

Heute wird es erneut musikalisch in den Serapionsbrüdern. Dass E.T.A. Hoffmann auch ein ziemlich produktiver Komponist war, ist vielleicht etwas unbekannt, sind seine Opern doch heutzutage kaum noch im Repertoire der Opernhäuser zu finden. Wenn man an Musik und Hoffmann denkt, dann am ehesten noch an das Tschaikowsky-Ballett, vielleicht an Offenbachs ‚Hoffmanns Erzählungen‘ oder das Ballett Coppélia – allesamt Bearbeitungen von anderen Komponisten, obwohl Hoffmann selbst mehrere Opern, Singspiele und Vokalmusiken komponierte.

Theodor und Eduard betrachten Hummels Gemälde ‚Die Fermate‘, woraufhin Theodor ihm seine Geschichte von den beiden abgebildeten Sängerinnen erzählt. In einem Provinzdorf lernte Theodor einst bei einem alten Organisten an Bach-Fugen das Orgelspiel und war davon wenig erbaut, bis eines Tages zwei Italienerinnen in das Dorf kamen und zu singen begannen, was in ihm die innere Musik entzündet hat. Er beschließt, mit den beiden Musikerinnen mitzuziehen und beginnt, für sie zu komponieren und mit ihnen durch die Lande zu touren. Doch als er, als Begleitung am Flügel, eine Fermate zu früh abbricht und die Sängerin um ihren Triller gebracht wird, beginnt die Stimmung zu kippen. Er scheint sich dann zunächst an die andere Sängerin anzunähern, belauscht aber dann ein Gespräch, bei dem er erfährt, dass man ihn für einen Tollpatsch hält und sich nur über ihn lustig macht. Er verlässt die Sängerinnen und kehrt nach Hause zurück.

Jahre später trifft er die Beiden zufällig in der Nähe von Rom wieder und beobachtet eine ganz ähnliche Situation eines abgebrochenen Trillers. Doch der Streit von damals scheint vergessen und Theodor wird von den Damen als großer Maestro angesehen. Dieser jedoch wird vom Gesang der Frauen völlig desillusioniert, denn die Perfektion, die er früher empfand, ist vergangen, auch sind die Frauen längst nicht mehr die hübschen Italienerinnen, die er einst kennenlernte. Er resümiert daraufhin mit seinem Freund darüber, dass die Beiden wohl das innere Feuer in ihm entfachten und er dieses auf sie projiziert hatte, aber nie wieder im Äußeren erkennen kann.

Theodor sagt im Kreis vorher schon, dass diese Geschichte gewiss nicht serapiontisch zu nennen sei, er wollte sie dennoch erzählen und wird nach der Geschichte von seinem Literaturklub auch durchaus gelobt. Das hier beschriebene Phänomen ist ein ganz Natürliches, das wahrscheinlich jeder von uns kennt. Seien es Bücher, seien es Sänger, die uns in unserer Kindheit oder frühen Jugend stark beeindruckt haben und eine Art inneres Feuer in uns entfachten und die wir vielleicht Jahre später nicht mehr so beeindruckend finden – oder dann gar später dieselben Bücher erneut lesen und nicht mehr so wirklich begeistert sind. Ebenso erging es Theodor hier mit den beiden Italienerinnen.

Auch in dieser Geschichte ist nicht wirklich viel Phantastisches zu finden, aber es geht eben mal wieder um das Innere, die Vorstellungskraft, in der der vielleicht gar nicht so perfekte Gesang durch die Wirkung auf den Einzelnen überhöht wird – und genau das ist auch ein Motiv, das man in der Phantastik häufiger findet: Gar nicht so außergewöhnliche Phänomene werden in der Wirkung auf den Einzelnen überhöht. Solche Wahrnehmungsübersteigerungen sind beispielsweise oft die Grundlage von Spukphänomenen.

Eine nette kleine und durchaus lesenswerte Geschichte über Vorstellung im Inneren und ein hübsches Alltagsphänomen – aber vielleicht mit Recht nicht die bekannteste Geschichte Hoffmanns.

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