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Ruhm – Daniel Kehlmann

k-WP_20150812_001Mehr zufällig landete dieses Buch vor einem Jahr in meinem Rebuy-Einkaufskorb und ähnlich zufällig dann vor kurzem auf meiner Leseliste. Eigentlich sehr bezeichnend dafür, dass es in dem Buch um Zufälle geht. Das Buch hat keine durchgehende Handlung, weshalb ich den Inhalt des Buches so wiedergebe, wie es im Buche steht. In 9 Episoden.

Durch einen Fehler in der Telekommunikation wird einem Menschen die bereits vergebene Rufnummer eines berühmten Filmstars zugewiesen und er schlüpft in dessen Rolle. Ein Autor fliegt mit einer Freundin auf Lesereise, beklagt sich über jeden Kleinkram, während seine Freundin Angst um ihre Arbeitskollegen hat. Eine Krebskranke auf dem Weg zur Sterbehilfe verhandelt mit dem Autor ihrer Geschichte um ihr Leben und verschwindet, als dieser aufhört, weiterzuschreiben. Ein berühmter Filmstar erscheint als sein eigener Imitator, um seinem Leben zu entfliehen, doch als er zurückkehrt, wurde er ersetzt. Eine Schriftstellerin begibt sich als Ersatz auf eine Lesereise in die Mongolei und wird dort von ihrer Reisegruppe vergessen und bleibt verschollen. Ein esoterischer Autor bricht mit seiner Beziehung zu Gott und der Welt und überlegt, sich zu erschießen. Ein Internetsüchtiger versaut einen Vortrag auf einer Konferenz und verfasst ein wütendes Posting darüber. Ein Abteilungsleiter beginnt eine Liebschaft und zerstört damit seine Familie und sein Leben. Ein Autor folgt seiner Freundin ins Krisengebiet – zumindest auf dem Papier.

Das Besondere an diesem Buch ist, dass es keinerlei durchgehende Handlung gibt, dennoch sind alle Figuren und alle Geschichten miteinander verwoben, manchmal auch nur andeutungsweise – so ist beispielweise die Liebschaft des Abteilungsleiters für die vergebenen Rufnummern verantwortlich und die Nummer, die neu vergeben wurde ist natürlich die des berühmten Filmstars, der aus seinem Leben fliehen wollte. Es geht in diesem Leben immer in irgendeiner Form um Verschwinden, um Dissoziation, um Flucht. Aber auch um Anerkennung, eben um Ruhm. Die Rolle der Fiktion ist auch nicht ganz klar. So sind einige Geschichten ganz klar vom Schriftsteller geschrieben, bei anderen ist man sich nicht sicher, wie sie sich zueinander verhalten. Die einzelnen Ebenen der Fiktion scheinen miteinander zu verschmelzen und werden auch mitunter ganz offen durchbrochen.

Der Zufall und das Verschwinden spielen eine große Rolle. Alle Ereignisse passieren mehr zufällig oder in jedem Fall waren die Folgen einer Handlung so nicht absehbar, sodass die Geschichte aus dem Ruder gerät. Die Schriftstellerin kehrt von einer Reise nie wieder zurück, der Abteilungsleiter zerstört sein Leben, der Schauspieler verliert seins an einen anderen Menschen. Aus kleinen Ereignissen erwächst größeres – und selten positives.

Mir persönlich gefiel Ruhm sehr gut. Ich bin ja ohnehin ein Freund von solchen postmodernen Erzählansätzen, es ist sicherlich ein wenig anspruchsvoller zu lesen, aber meinem Erachten nach lohnt es sich. Die Erzählfäden wirken – um eine abgedroschene Metapher aufzugreifen – sehr kunstvoll miteinander verwebt und ich muss sagen, dass mich der Roman, der Episodenroman sehr beeindruckt hat. Auch schafft es Kehlmann sehr gut, in jeweils vielleicht 20 oder 30 Seiten eine ganze Geschichte um die Charaktere aufzubauen, sodass man sich in deren Welt nicht fremd fühlt – andererseits wirken die Charaktere und ihre Geschichte scheinbar beliebig und austauschbar… war das nicht auch ein Kriterium für postmoderne Romane? Zumindest habe ich das schon mal in diesem Kontext gehört – und es gefällt mir gut, dass Kehlmann dieses Doppelspiel mit Identifikationsfiguren, die dennoch austauschbar wirken scheinbar meisterhaft gelingt.

Ich vergebe für das Buch volle 5/5 Sternen, für alle Liebhaber postmoderner Romane und alternativer Erzählstrukturen – wie ich es einer bin – ist der Band eine absolute Empfehlung; ich glaube aber auch, dass der Roman nicht nur für special interest-Leser geeignet ist, sondern auch für alle, denen das Genre noch fremd ist, ein spannender und bereichernder Lesegenuss sein kann.

3 Kommentare

  1. Deine Rezension klingt wirklich interessant, wenn auch sehr verworren, was vermutlich an dem Roman selbst und weniger an deiner Rezension liegt. Danke für die Erfüllung meines Wunsches. =)

    • Ich habe versucht, meine Rezension ein bisschen an den Stil des Buches anzupassen – es ist tatsächlich etwas verworren 🙂 Sehr gerne doch!
      Beste Grüße
      Florian

  2. Pingback: Statistik für August 2015 | Romanfresser.de

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