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Romanfresser im Theater: Hänsel und Gretel

Weihnachtszeit ist Märchenzeit. Und in diesem Sinne wünsche ich euch allen ein frohes Weihnachtsfest und möchte euch heute noch eine Märchenoper vorstellen. Sie nennt sich selbst ein Märchenspiel in drei Bildern und ist von Engelbert Humperdinck geschrieben worden, basiert – man ahnt es – auf dem bekannten Märchen von Hänsel und Gretel.

Und so überrascht es wenig, dass in den knapp zwei Stunden Laufzeit genau diese Geschichte erzählt wird. Die Kinder einer armen Besenbinderfamilie, die nicht genug zu essen haben, werden von der Mutter zur Strafe für einen umgekippten Milchtopf in den Wald geschickt, doch finden sie nicht mehr nach Hause und nächtigen im Wald. Am nächsten Morgen stoßen sie auf ein Knusperhäuschen, begegnen der Hexe, werden von ihr festgehalten und schaffen es dann, sie in den Ofen zu locken und die ganzen von der Hexe gefolterten Kinder zu befreien.

Hänsel und Gretel ist eine wundervolle Oper – und von allen Opern, die ich bisher gesehen habe, war diese bestimmt die zugänglichste. Sie ist wunderschön komponiert und für ein breites und junges Publikum konzipiert. Das liegt vor allem an zwei Punkten:

Erstens ist die Musik unglaublich eingängig und niederschwellig konzipiert. Die Musik ist in Volksliedstrukturen komponiert, Volksliedfragmente sind verwoben und einige Volkslieder werden direkt zitiert, andere Melodien, wie beispielsweise der Abendsegen sind in der Folge dieser Oper bekannt geworden und haben sich inzwischen zu Volksliedern entwickelt. Von schwerem Prunk und dem ganzen Ballast, von dem ich bei Boris Godunow gesprochen habe, ist hier nichts zu merken.

Zweitens ist die Handlung in großen Teilen bekannt und damit gut verständlich und leicht mitzuverfolgen. Ich glaube, es wurde einiges vom Märchen abgewandelt (ich habe die Grimm’sche Variante im Moment nicht vom Wortlaut her auf dem Schirm), aber natürlich ist es eine freie Adaption des Märchens. Dennoch ist die Basis der Handlung bekannt, es ist immer nachvollziehbar, wo wir gerade in der Handlung sind und es ist auch stets amüsant, dem Ganzen zu folgen.

Diese beiden Faktoren – und gerade auch der gewisse Witz, der einigen Szenen immanent ist, man denke an den betrunkenen Vater, die Darstellung der Hexe – tragen dazu bei, dass die Oper einfach super für Einsteiger ist und man im Theatereinfach einen schönen Abend verbringen kann. Nicht umsonst ist die Oper eine sehr häufig im Repertoire eines Hauses zu findende und eine, die gerade zur Weihnachtszeit immer wieder gespielt und auch ganz explizit in Schülervorstellungen angeboten wird. Gerade für Schüler finde ich es viel schöner, sie mal zu einem Theaterbesuch zu bewegen, als mit einem Hammer wie Boris Godunow von Anfang an die Ablehnung zu Opern zu schüren.

Die Umsetzung in Darmstadt fand ich durchaus sehr gelungen – ich muss sagen, ich hatte auch keine große Vergleichsmöglichkeit – aber ich mag ja Drehbühnen und davon wurde viel Gebrauch gemacht. Sei es der sich drehende Wald, das drehende Hexenhaus – in jedem Fall gibt es immer etwas zu schauen und zu erleben, es ist nicht irgendwie doof, minimalistisch oder übertrieben modern inszeniert, sondern ist eine ganz klassische und zugängliche Inszenierung, die mir sehr gut gefallen hat und die ich gerne nochmal sehe. Und wer kein Opernhaus in der Nähe hat: Auf Youtube gibt es schöne Aufzeichnungen zu sehen und es gibt auch die Möglichkeit, sich für kaum drei Euro eine Audioaufzeichnung herunterzuladen – viel niedriger können die Zugangsbarrieren gar nicht sein.

Und mit diesen Worten möchte ich diese kleine Adventsserie auch beenden. Ich hoffe, ihr hattet ein bisschen Spaß an Theaterkritiken – und wenn es euch gefallen hat, ergibt sich vielleicht in Zukunft nochmal die Gelegenheit, über weitere Stücke zu sprechen. Zunächst aber wünsche ich euch ein tolles Fest im Kreise eurer Liebsten.

Bis dahin!

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