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Peter Schlemihls wundersame Geschichte – Adelbert von Chamisso

Nachdem ich in den letzten Wochen immer mal wieder romanische Erzählungen las und dabei oft etwas enttäuscht war, weil die übersinnlichen Phänomene etwas zu kurz kamen, hat mich die heutige Geschichte absolut nicht enttäuscht. Aber fangen wir am Anfang an.

Peter Schlemihl ist bei einem reichen Kaufmann zu Gast und sieht dort einen grauen Herren, der scheinbar alles, was die Gesellschaft benötigt – nebst Reitpferden und Zelten – aus seiner Tasche ziehen kann. Am Rande spricht dieser Peter an und bietet ihm einen Handel an. Ein Sack voll Gold, der niemals leer wird im Tausch gegen seinen Schatten. Und Schlemihl nimmt an. Doch bald schon merkt er, dass er sich ohne Schatten kaum in der Öffentlichkeit blicken kann, überall wird er verspottet, nirgendwo wird er akzeptiert und er wird gar beschimpft und verjagt. Schließlich findet er einen treuen Diener, der seine Schwäche akzeptiert, mit dem er sich dann als Graf ausgibt und in schattige Wohnungen zurückzieht, wo der fehlende Schatten nicht auffällt. Doch als er dann eine Frau trifft, die er gerne ehelichen möchte, kommt es zum Eklat – der Vater verlangt nämlich, dass er sich seinen Schatten wieder besorge. Zwar kommt in dem Moment zufällig der graue Herr zurück, will den Schatten aber nur unter Herausgabe der Seele nach dem Tod zurückgeben. Das lehnt Schlemihl natürlich ab, er verlässt seinen Diener und zieht sich zurück. Um nie wieder etwas mit dem grauen Herrn zu tun haben zu müssen, wirft er den Goldbeutel weg und will losziehen, um zu wandern. Zufällig sind die Wanderschuhe, die er sich kauft, die Siebenmeilenstiefel, mit denen er dann zu einem Naturforscher wird und ein Eremitendasein führt.

Ihr merkt es schon, hier ist jede Menge Übersinnliches versteckt. Der graue Herr (ist euch aufgefallen, dass die Bösen immer grau tragen? Das war schon bei Momo so!) mit seinem Beutel, allein die Tatsache, dass man den Schatten eines Menschen einfach aufrollen und unter den Arm klemmen kann, die Siebenmeilenstiefel am Ende – Magie ist also nicht nur auf den grauen Herren beschränkt – und natürlich der magische Goldbeutel! Der graue Herr ist relativ leicht als Verkörperung des Teufels zu verstehen, es ist aber ein sehr höflicher Teufel und das gesamte Szenario erinnert auch ein wenig an den Teufelspakt von Faust, wenn er auch etwas anders gestaltet ist.

Spannend ist das Motiv des Schattens. Der Schatten, den wir im Alltag kaum bemerken, wird so wahnsinnig wichtig, er ist die Vergewisserung der eigenen Existenz. Ich werfe einen Schatten also bin ich, könnte man es sagen – und mit dem Verkauf des Schattens verliert Schlemihl damit auch seine Existenz. Auch interessant ist, dass das jedem sofort auffällt, dass da der Schatten fehlt. Ich weiß nicht, ob mir das bei einem Menschen sofort ins Auge stechen würde, wobei ich vermutlich merken würde, dass irgendwas mit der Person nicht stimmt.

Offensichtlich ist auch der gesellschaftskritische Aspekt dieser Geschichte. Es ist eine sehr frühe Kritik – 30 Jahr vor Marx – an den kapitalistischen Verhältnissen, eine Kritik daran, dass man das Materielle über die eigene Identität stellt, man also nur nach Reichtum strebt und gleichzeitig – in den letzten Szenen – auch der Ausdruck einer Sehnsucht nach der Natur und der Erforschung der Natur, nicht einer kapitalistischen Verwertung der Natur, sondern Sehnsucht nach Flucht aus der dicht gedrängten Stadt und dem bürgerlichen Lebensmodell.

Wie mir diese Geschichte gefiel? Ich fand sie großartig. Ich mag phantastische Geschichten, ich mag dezente Gesellschaftskritik und ich fand diese Geschichte einfach großartig erzählt. Peter Schlemihl ist eine tolle Figur, der man gerne durch seine Abenteuer folgt, die Geschichte lässt sich recht einfach lesen und die Herausgeberfiktion (von Chamisso erhielt die Geschichte als Brief seines alten Freundes, der Chamisso mitunter direkt anspricht) ist zwar nichts, was heutzutage noch jemanden vom Hocker haut, aber war zur damaligen Zeit eine innovative Idee, die zur Authentizität des Übersinnlichen beiträgt. Von mir gibt es dafür 5/5 Sternen für eine absolut lesenswerte Geschichte – die ich ehrlich gesagt vor einigen Monat auch noch gar nicht auf dem Schirm hatte.

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