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Mutter Courage und ihre Kinder – Bertolt Brecht

k-WP_20151229_001Tatsächlich habe ich auf diesem Blog in über zwei Jahren noch nicht einmal über Brecht gesprochen, dabei mag ich die Idee vom epischen Theater sehr gerne und halte die Dreigroschenoper für ein großartiges Werk. Mehr habe ich aber bisher auch von Brecht nicht gelesen. Es wird dringend Zeit, das zu ändern. Hier also die Mutter Courage, ein Stück, im Exil in Schweden während des zweiten Weltkrieges geschrieben:

In Zwölf Szenen begleiten wir die Mutter Courage, eine fahrende Händlerin durch den dreißigjährigen Krieg. Zu Beginn mit zwei Söhnen und einer stummen Tochter gesegnet, verliert sie diese zunehmend. Ihr erster Sohn wird von einem Feldwebel abgeworben und zieht nun in den Krieg, sie wird ihn nicht wieder sehen, auch wenn sie das Stück lang darauf hofft. Mehr schlecht als recht stellt sie sich gut mit einem Koch, einem Prediger und sorgt dafür, dass ihr jüngster Sohn zum Zahlmeister ernannt wird und somit zumindest nicht an die Front muss. Doch im Glaubenskrieg wird er dann von den Katholiken erschossen. In der Angst, der Krieg könne zu Ende gehen und ihr Profit mit ihm, hofft sie nach dem Tod des Schwedenkönigs auf eine Fortsetzung des Krieges – die natürlich auch prompt stattfindet. Um sie zu retten, warnt ihre stumme Tochter die Stadtbewohner vor den herannahenden Soldaten und bezahlt dort mit ihrem Leben. Mutter Courage bleibt alleine zurück, der Krieg aber sollte noch zwölf lange Jahre andauern.

Mich ließ das Stück einigermaßen verwirrt zurück und ich habe mich, wie ich das immer so mache, wenn ich erstmal keinen großen Plan habe, in mein Schneckenhäuschen der Strukturanalyse zurückgezogen. Also: Kein Fünfaktschema, kein tektonischer Aufbau, sondern zwölf, völlig ungleich lange, aneinandergereihte Szenen, die sich über Jahre und Ländergrenzen hinweg strecken. Wenige wirkliche Charaktere, selbst die Kinder der Courage bleiben bemerkenswert charakterlos, mitunter sind die Namen der Charaktere nicht mal genannt, sie werden nur in ihrer Funktion benannt und dadurch natürlich austauschbar. Das passt natürlich gut in die Idee des epischen Theaters, große Konflikte darzustellen und das Publikum miteinzubeziehen, indem es dazu gezwungen wird, das Gesehene mangels Identifikation mit den Schauspielern zu reflektieren. Soweit, so nachvollziehbar.

Doch worum geht es eigentlich? Mutter Courage zieht ihren Profit aus dem Krieg, der Frieden macht sie pleite. Sie wird bisweilen als Hyäne des Kriegs bezeichnet, denkbar uncharmant. Dennoch verliert sie all ihre Kinder und das ist doch eigentlich von Anfang an das Ziel ihres Strebens. Scheitert Courage? Oder scheitert ihr Ansinnen, den Krieg zu nutzen, um die Familie durchzuboxen? Das Stück ist geschrieben im schwedischen Exil während des zweiten Weltkrieges und im Wikipedia-Artikel dazu liest man, dass es die schwedische Obrigkeit dazu bewegen sollte, nicht aus Profitgründen oder der Annahme, man könnte davon profitieren, in den zweiten Weltkrieg zu ziehen.

In jedem Fall bricht Brecht in dem Stück mit vorigen Kriegsdarstellungen. Erinnert man sich beispielweise an den Prinz Friedrich von Homburg, war der Krieg etwas tugendhaftes, die Ehre war wichtig, dargestellt wurde der Krieg aus Sicht der Herren und ihrer Ehre. Mutter Courage trivialisiert die Ehre, sagt sogar, man brauche solche Tugenden (bzw. Tugenden allgemein) ja gar nicht, sie ist ein unglaublich winziges und unbedeutendes Schicksal angesichts der dreißig Jahre und zahllosen Opfer, die der Krieg forderte, sie zeigt den Krieg von unten und zeigt seine kapitalistische Seite daran auf. Die Hyäne des Krieges ist aber gleichzeitig auch eine Mutterfigur, die ein tragisches Schicksal durchleidet, aber aus finanziellen Gründen den Krieg zum Überleben braucht. Das Paradoxe, der Widerspruch wird hier zum Leitmotiv erhoben und nicht etwa aufgelöst und ein eine eindeutige Katharsis, also quasi eine Lösung des Konflikt, überführt, denn Courage verliert ihre Kinder, aber behält ihren Krieg.

Nur ein ganz kurzes Wort zu Stil und Sprache: Viel Umgangssprache wird verwendet, es ist kein hochgestochenes Drama in schönen Versen, sondern nah am Leben, gut lesbar und leicht verständlich.

Aber was gebe ich da jetzt für eine Bewertung? Meine Rezension zählt inzwischen über 600 Wörter und ich bin bisher nur ein paar lose Gedanken dazu losgeworden. Ich fand das Drama aber ziemlich gut, es hat mir gefallen, es macht Spaß, so ein paar Ideen und Konzepte, die man zu Brecht im Kopf hat, mal in der Praxis zu sehen und es ist vor allem absolut mein Stil. Ich mag ja diese offenen Dramen ganz allgemein deutlich mehr, weil ich sie spannender und irgendwie nicht so schemahaft finde. Mein Lieblingsdrama wird die Mutter Courage zwar nicht werden, aber ich denke mit 4/5 Sternen kann ich nichts falschmachen. Und ihr übrigens auch nicht, wenn ihr mal etwas von Brecht lesen möchtet.

 

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