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Klassiker und moderne Klassiker

Klassiker oder moderne Klassiker

Es gibt ja solche Bücher, die man wohl mal gelesen haben muss, habe ich mir sagen lassen. Als Deutscher ist es Faust, irgendein Drama von Schiller, vielleicht noch Kleist oder Kafka, Sachen jedenfalls, die man als gebildeter Mensch kennen und mögen muss. Sie nicht zu mögen zeugt von Unreife, Unkultiviertheit und am Besten von mangelnder Bildung.

Soweit das Klischee. Sehe ich das auch so? Natürlich nicht, sonst würde ich das nicht so überspitzt am Anfang meines Textes formulieren.

Richtig ist: Solche „scheiß Buch“-ein-Sterne-Bewertungen, die meistens von genervten Schülern auf Amazon kommen, zeugen nicht gerade von einem tiefen Literaturverständnis und das ist nicht selten genug darauf zurückzuführen, dass der entsprechende Schüler keine Bereitschaft zeigt, sich auf ein Buch einzulassen und es vielleicht mal unter anderen Aspekten zu betrachten als nur „spannend/unspannend“. Das finde ich schade und vermutlich kommt genau daher dieser Stereotyp.

Aber muss man deshalb alles mögen, was einem als Klassiker vorgesetzt wird? Unsinn. Ich denke schon, dass man die populärsten Sachen mal ausprobiert haben sollte, sich mal in ein paar Sachen reingedacht haben – und klar, Faust ist wirklich ein Muss, einfach damit man mitreden kann und meine ganzen Zitate versteht J

Doch mögen muss man das nicht. Es mit „gefällt mir nicht“ abzutun fände ich etwas oberflächlich, aber ich kann jeden gut verstehen, der mit Fontane nicht viel anfangen kann oder Schiller doof findet. Das geht mir ja nicht anders.

Ich habe für geschlossene Dramen relativ wenig übrig, weder Schiller noch Shakespeare haben mir bisher wirklich viel gegeben – wobei ich Shakespeare in Originalsprache noch eine Chance geben möchte – irgendwie geht diese Form nicht an mich heran, ich mag sie nur in überspitzter oder bewusst aufgebrochener Form (Shaw, Moliére,…), am Liebsten sind mir komplett offen gehaltene Dramen. Und auch was Romane oder Novellen angeht, bin ich nicht so, dass ich sage, alles, was alt ist, muss auch gut sein. Ich bin ein großer Freund von Kafka, Kleist finde ich nur so mittelmäßig. Aber man sollte allem durchaus mal eine Chance geben, zumindest mal ein Schiller-Drama lesen.

Es gilt aber immer auch der Grundsatz, dass kein Mensch alles lesen kann. Ich habe die Elenden gelesen, die ungekürzte Gesamtausgabe. Dafür habe ich nie die Iphigenie auf Tauris oder den Werther gelesen. Ich habe Moliére gelesen, aber noch nie mehr als ein Gedicht von Poe. Irgendwo muss man eine Wahl treffen. Und man kann nicht alles lesen, was man gerne lesen würde oder lesen sollte. Dafür ist das Leben schlichtweg zu kurz. Wozu ich euch also aufrufen möchte: Seid sportlich, wenn jemand euren Lieblingsklassiker nicht kennt. Derjenige kennt dafür andere tolle Sachen, die ihr nie angefasst habt!

Und – um dem Titel des Posts gerecht zu werden, noch ein Wort zu modernen Klassikern oder Büchern, die als solche gelten: Da gibt es eine ganze Menge, was einem so als „Modern Classic“ verkauft wird, habe ich neulich festgestellt. Unter Anderem auch Sachen, von denen Wikipedia noch nie etwas gehört hat – was ich zumindest auffällig finde. Aber bei den Sachen, die sich wirklich schon seit Jahren gut verkaufen (Der Fänger im Roggen, Herr der Fliegen, War Horse) wurde ich tatsächlich noch nicht enttäuscht. Für den etwas anspruchsvollen Leser sind solche Sachen sicherlich einen Blick wert. Aber auch hier gilt: Nicht jeder kann mit dem Fänger im Roggen etwas anfangen. Ich habe schon von Leuten gehört, die ihn als unglaublich langweilig in die Ecke warfen, weil er ihnen nichts gegeben hat. Also auch hier: Aufpassen und ein bisschen tolerant sein, wenn jetzt jemand dem Herrn der Fliegen, den ihr heiß und innig liebt, nichts abgewinnen kann.

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