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Jakob von Gunten – Robert Walser

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Jakob von Gunten ist so eines dieser zwar durchaus kanonischen aber nicht so wirklich bekannten Bücher, die auf meiner ominösen Literaturliste stehen. Will heißen, bevor dieses Buch auf meiner Liste auftauchte, hatte ich noch nie davon gehört. Und auch nachdem ich mal so kurz rumgegooglt hatte, fiel mir nichts auf, was dieses Buch so besonders machen würde. Irgendwie eine tagebuchartige Internatsgeschichte? Jetzt habe ich das Buch gelesen und vermag irgendwie wenig dazu zu sagen. Doch kommen wir zum Inhalt:

Jakob stammt aus einer vornehmen Familie, zu der er jedoch jeglichen Kontakt abgebrochen hat. Er schreibt sich in einer Dienerschule ein, einem Gebäude mit völlig eigenen Regeln, wo den Schülern das unterwürfige Dienen beigebracht wird, viel Zeit für den forcierten Müßiggang investiert wird und von den Schülern die totale Selbstaufgabe (naja? Zumindest teilweise) und Unterwerfung erwartet wird. Jakob kann sich einerseits gut einfügen, hat aber andererseits auch Träume, in denen er nach Höherem strebt. Er trifft sich (scheinbar? Oder waren das auch nur Träume) öfters mal mit seinem Bruder und baut seltsame Verhältnisse zu den Internatsleitern auf. Als die Lehrerin stirbt und das Internat damit zusammenbricht, zieht er mit dem Internatsleiter durch die Welt.

Das Besondere an diesem Buch ist, dass es augenscheinlich gar nicht so besonders ist und fast schon trivial wirkt. Es sind aneinandergereihte Tagebucheinträge, die aber nicht so wirklich chronologisch wirken und nicht datiert sind. Immer wieder ist in diesen Einträgen von Träumen zu lesen und man kann sich nicht immer sein, was jetzt wirklich geträumt ist – irgendwann verliert man dann auch das Vertrauen in den Erzähler – so ist mir ein bisschen unklar, ob es den Bruder und Jakobs Ausflüge wirklich gab, denn diese wirken ein bisschen traumartig und wenn die Internatsregeln wirklich so streng sind – wie hätte Jakob dann ja ganze Tage bei seinem Bruder verbringen können?

Let’s Talk about Sex. Ich will gar nicht wissen, welche Besucher mir Google jetzt schon wieder vorbeischickt, aber ich habe das Gefühl, in diesem Buch wimmelt es von Sex. Das sind mitunter sehr zarte Anspielungen und ziemlich feine Leerstellen, aber das Verhalten des Internatsleiters Jakob gegenüber lässt durchaus den Schluss zu, dass dieser Jakob begehrt. Und auch mit der Lehrerin entwickelt sich ein durchaus intimes Verhältnis. Jetzt ist natürlich gerade im Kontext der oberen Frage, ob das vielleicht Fantasien von Jakob (der auf mich ohnehin wie ein durchaus masochistisch eingestellter Charakter) wirkt. Nun. Macht euch eure eignen Gedanken dazu, aber es wäre sicherlich ergiebig, das Buch mal auf diesen Aspekt zu untersuchen.

Was sollte man noch erwähnen? Die Sprache. Sie ist so unauffällig schön, dass man das fast übersehen könnte. Im Wikipedia-Eintrag zu dem Buch findet man die Anmerkung, dass sich Hesse über die Sprache des Buchs insofern äußerte, als dass er sagte, Walser gehe mit der Sprache so respektvoll um, wie mit einem hochgeachteten, doch vertrauten Freund. Ich habe das nicht nachgeprüft, aber ich würde es vorbehaltlos unterschreiben. Die Sprache ist wunderschön rund geschliffen, ohne Ecken, ohne Kanten, es ist einfach schön.

Warum aber genau ich dieses Buch jetzt gelesen habe, weiß ich wirklich nicht. Es ist irgendwie interessant, weil es eine ganz neue Welt mit eigenen Regeln aufstellt, die aber am Ende scheitert – und niemand weiß, wieso. Es sind faszinierende Charaktere zwischen völligem Aufgehen in diesem Dienersystem bis zum Träumen von Widerstand, aber irgendwie. Ich bin einerseits fasziniert, andererseits stelle ich mir die Frage: Warum ist das jetzt so besonders. Irgendwie kann ich nichts Besonderes an diesem Buch finden, sehe schon, dass es sich in den Zeitgeist um 1910 einfügt, kann den Vergleich mit Kafka, der häufig angestellt wird, nachvollziehen… Aber irgendwie kann ich damit wenig anfangen. Eine ganz bizarre Situation, ich weiß. Ich gebe mal 4/5 Sternen. Jakob von Gunten ist bestimmt nicht der Über-Klassiker und würde wohl auch in keiner Top-10 der deutschen Literatur auftauchen, aber es ist dennoch ein faszinierendes, lesenswertes kleines Büchlein.

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