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Hanni und Nanni bringen alles in Schwung (#16)

Eine neue Ära beginnt. Mit dem letzten Band endete die Geschichte um Hanni und Nanni, es ging ab in die Zukunft. Und jetzt? Der Schneider-Verlag erklärt es im Vorwort: Die Leserinnen wollten mehr von Hanni und Nanni lesen und der Verlag hat noch unveröffentlichte Manuskripte von Enid Blyton gefunden, die sie jetzt bringen. (Ja, sie schreiben wirklich bringen!) Die Bände spielen so zur Hochzeit in der dritten Klasse, wo die Mädchen ungefähr 13 Jahre alt sind.

Und in diesem Band geht es um Anja. Anja ist nach einem Unfall, bei dem ihre Eltern starben, gehbehindert und soll jetzt in Lindenhof integriert werden. Eigentlich ist Lindenhof nicht barrierefrei, aber diesem fitten Mädchen soll kein Heim für Behinderte zugemutet werden und so ist sie nun da – und Hanni und Nanni wurden erwählt, sich ihr anzunehmen, weshalb sie ein besonderes Zimmer bekommen, das eigentlich höheren Klassen vorbehalten ist. Doch dann, als Anja gerade aufblüht, stirbt ihre Großmutter, bei der sie lebte. Sie hinterlässt nicht viel, sodass Anja Lindenhof verlassen werden muss, weil das Schulgeld nicht zu stemmen ist. Doch dann haben Hanni und Nanni eine Idee. Sie wollen den bekannten Countrystar Roy Bernard fragen, ob er nicht ein bisschen für Anja singen könnte – er ist kürzlich in Laufnähe des Internats gezogen. Doch erst als die beiden zufällig den Hund von Roy retten und sie so dem Sänger nahkommen, können sie ihre Idee vortragen und dann bekommen es die Lindenhofer hin, ein ganzes Konzertprogramm mit Stargast Roy Bernard zugunsten von Anja zu organisieren.

Soweit, so gut. Ich denke, bisher habe ich das relativ neutral gehalten, aber ich fürchte, das kann ich nun nicht weiter durchhalten. Zunächst mal werden die jungen Leserinnen hier völlig angelogen. Mit Manuskripten von Enid Blyton hat das hier nichts zu tun – in neueren Auflagen taucht dieser Satz auch nicht mehr heraus – richtig ist vielmehr, dass der Verlag alle Rechte an der Marke Enid Blyton hat und unter dem Namen herausbringen darf, was er möchte. So ist dieser Band, wie schon viele andere, es ist also keineswegs eine neue Praxis, von deutschen Autoren entstanden, die mal wieder nicht genannt werden. Aber es ist keineswegs in dem Geist der letzten 15 Bände geschrieben. Ich habe schon öfters kritisiert, was in den letzten Bänden passiert ist, aber dieser Band setzt allem die Krone auf. Der Stil ist völlig anders. Es wirkt auch einmal alles jung, hip und modern. Da ist Fräulein Theobald, die früher noch eine Respektsperson war, auf einmal die Theobaldine, erhält einen Vornamen, weil sie sich ja mit Mamsell duzt, da ist eine junge Lehrerin, die übergewichtig ist und bei den Mitternachtsfesten mitfeiert und dann himmelt die ganze Schule diesen Countrysänger an. Der ganze Sprachgebrauch wirkt auf einmal so künstlich modernisiert. Kinder lesen Schneiderbücher (ja!), man ist auf einmal gut sichtbar in Süddeutschland und normalerweise werden Schülerinnen mit kleinen Gemeinheiten ins Internat eingeführt. Und warum man mit 84 Kilo schon als Elefant bezeichnet wird, will ich gar nicht hinterfragen.

Dabei ist die Grundidee einer Integration von Anja gar nicht mal schlecht und wird auch am Anfang durchaus liebevoll umgesetzt. Die Geschichte an sich ist gar nicht das Problem, sie ist sogar relativ stimmig und ich finde grundsätzlich auch den Einfall, ein Konzert zu veranstalten gar nicht mal schlecht. So geht natürlich mal wieder viel Internatsleben verloren, weil es über die Hälfte des Buches nur noch darum geht, aber sei es drum. Fürchterlich – um Mamsell mal zu zitieren – ist allerdings, was mit den Figuren passiert ist. Die meisten Figuren bleiben völlig blass und sind weit entfernt, von den Vorbildern aus den ersten Bänden. So ein paar der Figuren tauchen auf, aber ihre besonderen Eigenschaften kommen kaum noch zum Tragen. Doris als Clown und Carlotta als Zirkusmädchen – das war dann auch schon alles. Zu den Zusammenhängen mit den älteren Bänden dann vielleicht nächsten Band noch etwas mehr, denn – um euch zu spoilern – es wird nicht auf einmal mit sehr genialen Bänden weitergehen.

Was bekommt dieser Band an Sternen? Normalerweise überlege ich mich immer, was einem Buch zu den fünf Sternen fehlt. Und hier muss ich wirklich einmal andersherum vorgehen und überlegen, was der Band positives hat. Die Geschichte um Anja, um ein gehbehindertes Mädchen im Allgemeinen gibt einen halben Stern, der Einfall mit dem Konzert, um sie zu retten ist auch einen halben Stern wert. Und einen dritten halben Stern gibt es dafür, dass immerhin einige Figuren aus den letzten Bänden nochmal auftauchen. Mehr ist aber leider nicht mehr herauszuholen, 1,5/5 Sternen – mehr ist leider nicht drinne.

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