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Ganz unten – Günter Wallraff

Cover von Ganz unten

 

Zwischen 1983 und 1985 war Günter Wallraff als türkischer Gastarbeiter verkleidet und arbeitete zwei Jahre lang bei verschiedenen Firmen. Als Anmerkung zu Anfang muss ich sagen, ich habe zufällig bei Ebay eine Erstausgabe erstanden – ich weiß, dass das Buch später verändert wurde und einige Passagen nun entfernt wurden und andere Sachen dazukamen, meine Rezension bezieht sich jetzt also auf die Erstausgabe.

Das Buch steigt ein mit einer kurzen Beschreibung, wo er überall war und was er getan hat, um sich auf seine Rolle vorzubereiten. Der erste “echte” Bericht dreht sich dann um seine kurze Zeit bei McDonalds und die skandalösen Hygiene- und Arbeitsbedingungen dort.

Es geht weiter mit einem kurzen Bericht über Ausländerdiskriminierung und die Toilettensituation am Bau.

Der nächste große Block beschreibt Wallraffs Erfahrungen bei einem  Kirchen und Bestattungsunternehmen, wie er dort aus Ausländer abgewiesen wird und welche Abzockversuche er stößt – gerade beim Bestattungsunternehmen.

Der größte Teil des Buches behandelt dann seine Arbeit bei Thyssen unter einer Drittfirma, diese Reportage zeigt sehr aufschlussreich , wie dort Menschenhandel betrieben wird, und unter welchen furchtbaren Arbeitsbedingungen ohne Schutzkleidung mit locker 100 Wochenstunden geschuftet werden muss, um irgendwie den Lebensunterhalt zu sichern.

In einem weiteren Kapitel beschäftigt sich Wallraff mit dem Verkauf der Körpers für medizinische Zwecke, ein Projekt, dass Wallraff ziemlich schnell abbrach – er hätte vielleicht das Buch sonst nicht mehr schreiben können.

Das Buch schließt mit einem Kapitel, von dem nicht klar wird, ob es fiktiv ist oder nicht und beschreibt, wie der Sklaventreiber von Thyssen auffliegt, als er einen Coup plant, der eine Nummer zu groß ist und durch Wallraff, der sich in sein Vertrauen eingeschmuggelt hat, verraten wird. Ein Zwischenfall in einem Atomkraftwerk soll von den Arbeitern behoben werden – ohne Rücksicht auf die Strahlung.

Mir wurde während der Lektüre schlecht. Bei einigen Beschreibungen wird einem ziemlich übel und man möchte eigentlich nicht weiterlesen. Ständig war ich am Denken, ob ich auch so bin, ob das heute auch noch so ist und wie so etwas sein kann. Aufwühlend beschreibt das Buch am Besten.

Die Sprache des Buches ist recht simpel gestrickt – logischerweise muss sie das in diesem Milieu auch sein. Was mich etwas gestört hat, sind die Einwürfe, die zwar gute Hintergrundinformationen bieten, aber den Lesefluss extrem unterbrechen, teilweise stehen diese mitten in einem Satz oder Sinnabschnitt – hier hätte man diese besser ans Ende der Kapitel gesetzt, da sie auch nicht immer unbedingt ins Kontext des Kapitels passen.

Ansonsten kann ich nicht sagen, dass mir das Buch gefallen hat, aber es hat mich in jedem Fall bewegt. Ich weiß nicht, ob ich das Buch weiterempfehlen kann, ich hatte teilweise ziemliche Probleme, den geschilderten Vorwürfen eine Aktualität zuzuordnen, das geht vielleicht am ehesten, was die Arbeitsbedingungen angeht, hierzu hat Wallraff ja auch in den letzten Jahren Reportagen veröffentlicht.

Wer sich dieses Buch trotzdem zulegen möchte, wovon ich nicht abraten möchte, es lohnt sich bestimmt, aber sollte durchaus etwas distanziert betrachten werden, kann es für 8,99€ bei Amazon erwerben.

Ich gebe dem Buch 4/5 Sternen, mehr aus Verzweiflung, ob ich jetzt eine Empfehlung aussprechen soll, als aus wirklicher Überzeugung. Ich denke, die Note ist aber ganz gerechtfertigt.

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