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Für ein Lied und hundert Lieder – Liao Yiwu

Cover von Für ein Lied und hundert Lieder

 

Kennt ihr das? In seiner Lieblingsbuchhandlung steht schon seit Wochen ein Buch. Man nimmt es immer wieder in die Hand, riecht daran, liest den Klappentext, liest vielleicht auch mal einige Auszüge und lässt es immer wieder liegen. Man kommt einige Tage oder Wochen später wieder, nimmt es wieder in die Hand und lässt es wieder liegen. Irgendwann kauft man es.

So geschehen mit diesem Buch, Für ein Lied und hundert Lieder. Mehrere Male stand ich kurz davor es zu kaufen, aber immer hatte ich das Gefühl, dass ich nicht bereit bin, solch ein bedrückendes Buch zu lesen. Irgendwann kaufte ich es.

Liao Yiwu war vier Jahr lang in chinesischen Gefängnissen, aufgrund eines Gedichts und einem Film, basierend auf einem anderen Gedicht. Die Situation in diesen Gefängnissen beschreibt und verarbeitet er in diesem Buch. Er beginnt mit der Vorgeschichte, seiner Arbeit an dem Gedicht und dem Film und erzählt auch immer wieder zwischen den Erlebnissen im Gefängnis von den Schwierigkeiten vor und nach seiner Haft.

Die Berichte aus dem Gefängnis selbst sind atemberaubend. Ich kann und mag nichts davon wiedergeben, ich denke, das muss man selbst lesen, aber das, was er aus dem Gefängnis erzählt, mutet nach tiefstem Mittelalter an. Unhaltbare hygienische Zustände, unfassbare Enge, schwere monotone Zwangsarbeit, schwerste körperliche Misshandlungen, nicht nur von den Aufsehenden, sondern auch von Mithäftlingen – all das kann man sich im 21. Jahrhundert (beziehungsweise: Im ausgehenden 20. Jahrhundert) kaum noch vorstellen. Umso dramatischer ist es, dass das in China bis heute passiert.

Der Schreibstil des Buches ist ungewöhnlich. Ich empfang den Schreibstil als typisch chinesisch, wobei ich nicht genau sagen kann, was das ausmacht. Es ist in jedem Fall eine sehr bildreiche Sprache, aber auch in einigen Stellen eine raue und harte Sprache. Man wird an diesem Buch keinen Spaß haben, nein, das Buch ist absolut furchtbar. Trotzdem ist es ein absolutes Must-Read und trotzdem bekommt das Buch 5 Sterne. Weil es monumental ist. Dieses Buch ist nicht, wie das letzte hier besprochene, leichte Lektüre für zwischendurch, sondern schwerste und abstoßende Kost. Aber es erzählt etwas Wichtiges, nämlich die Zustände in chinesischen Gefängnissen und das auf eine Art und Weise, die mit Sicherheit jedem Lese eine Gänsehaut bereitet.

Im Anhang finden sich noch zahlreiche Gedichte aus dem Gulag, diese sagten mir persönlich nur teilweise etwas, sind aber nicht minder lesenswert.

Für ein Lied und hundert Lieder gibt es im Fischer Verlag als Taschenbuch und kostet 12,99€ bei Amazon.

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