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Die Vermessung der Welt – Daniel Kehlmann

Cover von Die Vermessung der Welt

 

Dieses Buch war ein Spontankauf in meiner Bahnhofsbuchhandlung, durch die ich häufiger mal stöbere. Ihre Preise für englische Bücher sind zwar ziemlich hoch, aber deutsche Bücher kann man dort durchaus kaufen. So eine Buchpreisbindung hat auch manchmal Vorteile. Ich habe inzwischen mitbekommen, dass dieses Buch auch teilweise in Schulen gelesen wird und weiß nicht so ganz, was ich davon halten soll – schlecht ist es aber sicherlich nicht, denn die Vermessung der Welt ist ein etwas unkonventionelles Buch.

Wir erleben fiktive Biografien der Wissenschaftler Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß. Wir beginnen damit, dass Gauß von Humboldt nach Berlin eingeladen hat. Dort tauschen sich die Forscher dann aus. Wir erfahren viel über Humboldts Südamerikareise und welchen Gefahren er sich dort aussetze, welche wissenschaftlichen Visionen ihn trieben und wie er dort die Welt vermaß. Wir erfahren über Gauß, der den Gegenpol zu Humboldt darstellt, er ist der zurückgezogene Mathematiker, der sich Ewigkeiten in eine Hütte zurückzieht, um ein Pendel zu beobachten.  Humboldt macht sich selbst zum Versuchsobjekt und Gauß beobachtet lieber von außen. Später wird Gauß Sohn als Revoluzzer inhaftiert und Humboldt erlebt auf einer begleiteten Russlandreise, dass seine Popularität das Forschen unmöglich gemacht hat.

Die Vermessung der Welt ist ein postmoderner Roman, das sollte man vorher wissen, sonst wird man womöglich enttäuscht. Das heißt im Klartext, dass der Roman einige Eigenheiten aufweist, die man mögen kann, aber nicht muss. Beispielweise verzichtet der Roman vollständig auf wörtliche Rede und ahmt in seinem sprachlichen Stil ein etwas älteres Deutsch nach, bleibt aber in seiner Wortwahl modern genug, um einfach verstanden zu werden. Dabei ist der Roman ziemlich ironisch geschrieben, die Hauptfiguren, eigentlich sehr ernstzunehmende, einflussreiche Personen, werden bis zur Unkenntlichkeit karikiert, ohne sich aber dabei zu nah vom historischen Vorbild zu entfernen. An einigen Stellen sind mir auch intertextuelle Bezüge (bspw. Goethes Lyrik) aufgefallen, viele andere Anspielungen habe ich vermutlich übersehen. Der Roman zeichnet ein irgendwie seltsames Bild von den Wissenschaftlern und ihrer Wissenschaft an sich und lässt viel Deutungsspielraum offen, insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Wissenschaft und ihrer Idole, deren Ziele und deren Bezug zur gesellschaftlichen Realität

Mir hat all dies gefallen, aber ich mochte auch andere postmoderne Romane schon sehr gerne. Kehlmanns Vermessung der Welt war sehr erfolgreich und erfuhr auch in der Literaturkritik grundsätzlich positive Resonanz. Das kann ein gutes Zeichen sein, muss es aber nicht. Trotzdem oder gerade deswegen, würde ich den Roman auch jedem Durchschnittsleser empfehlen wollen, er ist nicht so anspruchsvoll, wie ich ihn darstelle und er besitzt die nette Eigenschaft, das man ihn genießen kann, ohne ihn interpretieren zu müssen – im Gegensatz beispielsweise zu Faust oder The Glorious Ones.

Ich gebe hier gut und gerne volle 5/5 Sternen für einen tollen Roman, der neugierig auf den Rest des Kehlmann’schen Gesamtwerkes macht. Insbesondere sein neuer Roman F wurde ja auch hoch gelobt. Wer möchte, kann jedoch erst mal diesen Roman für 9,99€ erwerben.

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