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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki – Haruki Murakami

Cover von Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

 

Mit Murakami verbinde ich 1Q84 und damit – auch wenn ich bisher erst einen Drittel davon gelesen habe – einen ganz besonderen Dekonstruktivismus, in dem eine Wirklichkeit verleugnet wird und es scheinbar Parallelwelten gibt. Seinen neusten Roman sah ich spontan, als er bei uns zurückgegeben wurde und nahm ihn so auch direkt mit. Und was soll ich sagen – ich habe ihn in knapp 24 Stunden durchgelesen, das will schon etwas heißen. Und irgendwie hat mich dieser Roman auch bewegt. Ich werde jetzt einiges spoilern, aber ich finde das nicht besonders schlimm, denn es geht nicht nur um die Geschichte, wenn ihr dieses Buch lest.

Wir erfahren einiges über das Leben von Herrn Tazaki. In der Schulzeit erlebte er die vollkommene Harmonie in einer Fünferclique. Zum Studium hin war er der einzige, der aus der Kleinstadt nach Tokio zog und zwei Jahre später wurde er aus der Clique ausgestoßen – einfach so, ohne, dass er wusste, wieso. Er hatte eine weitere seltsame Bekanntschaft mit einem anderen Studenten, mit dem er scheinbar sexuelle Erfahrungen machte, der dann aber auch irgendwann den Kontakt abbrach. Im Moment hat er ein Verhältnis mit jemandem und leidet aber unter Erektionsstörungen. Seine Partnerin sagt, dies habe mit unverarbeiteten Ereignissen aus seiner Vergangenheit zu tun und überredet ihn, die vier Freunde noch einmal zu besuchen. Alle nehmen ihn herzlich auf und schließlich erfährt er in Finnland die ganze Wahrheit. Das eine Mädchen seiner Clique – von der er dauernd erotische Träume hat – soll er vergewaltigt haben. Und um ihre psychische Labilität zu kurieren, musste er dann darunter leiden – es war wohl am einfachsten, ihn zum Opfer zu machen, war doch schon eine räumliche Distanz da. Das selbe Mädchen ist dann einige Zeit später gestorben. Von Visionen, wie er das Mädchen umbringt, geplagt, kehrt er nach Japan zurück und gesteht seiner Partnerin seine Liebe. Sie will sich binnen drei Tagen für ihn entscheiden.

Ich weiß nicht so recht, wo ich diesen Roman einordnen soll. Es ist ein Plädoyer für ein geregeltes Leben, das Tazaki als Bahnhofskonstrukteur führt, er hat einen geregelten Tagesablauf, ist Einzelgänger und nach den Rückschlägen seines Lebens ist er gar nicht mal wirklich unglücklich, dass er alleine sein Dasein fristen kann. Sein Hobby ist es, Bahnhöfe zu betrachten und er geht gerne schwimmen. Und dann diese Verabredung mit der Frau, die er begehrt, wie er noch keine andere begehrt hat – und dann diese seltsame Clique, die eine perfekte Harmonie war und dann nicht mehr ist. Ständig hat Tazaki Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Sein Name war der Einzige, der keine Farbe enthielt, er fühlte sich immer ein bisschen außen vor – aber die anderen bestätigen ihm, dass genau seine Beständigkeit das Wichtige war, was die Clique zusammengehalten hat. Auch heute noch hat er Probleme mit dem Selbstwertgefühl, er muss sich von allen sagen lassen, dass er um die Frau seines Lebens kämpfen muss und findet sich selber total uninteressant und langweilig.

Im Gegensatz dazu stehen seine Träume. Häufig erotischer Natur träumt er häufig von Sex mit den Mädchen seiner Clique, insbesondere mit jener, die er angeblich vergewaltigt haben soll, ein anderes Mal glaubt er, nach einem solcher Träume eine sexuelle Begebenheit mit seinem damaligen besten Freund gehabt zu haben, immer wieder stellt er sich den Tod dieses Mädchens vor und wie er sie umgebracht haben könnte, als gäbe es eine alternative Realität, in der das wirklich passiert ist. Nun, das Ende vom Lied ist, dass alles offen bleibt. Die Vergewaltigung und der Mord bleiben ungeklärt und auch, ob Tazaki seine Frau bekommt, wird nicht klar.

Ein Wort noch zu den Kritiken, die Murakami vorwerfen, er würde mit einfachen Metaphern und Sprüchen aus Poesiealben um sich werfen und ihm zur Last legen, er würde “Surrealismus als Plotersatz” betreiben: Es ist wahr, dass Murakami auf einfache und klare Worte wert legt und das seine Form des Dekonstruktivismus – zumindest sehe ich das so – etwas speziell ist, aber genau darin liegt der Zauber des Buches. Was ist wahr, was passiert im Unterbewussten und wo positioniere ich mich als Leser – ich muss mich aber nicht positionieren, sondern kann auch einfach entspannt lesen, was passiert. Mir gefällt das recht gut und auch, wenn ich nicht sofort den nächsten Murakami aufschlagen muss, hat mich das Buch mehr als gut unterhalten und einfach ein bisschen glücklich gemacht, mir ein Lächeln aufgezwungen. Das ist schön, das gefällt mir, dafür gebe ich gerne 4,5/5 Sternen. Über den hohen Preis von 22,99€ reden wir aber nochmal, okay? Gut, dass ich es aus der Bibliothek hatte, so viel Geld hätte ich dafür nicht ausgeben wollen.

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