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Die Majoratsherren – Achim von Arnim

Neben Hoffmanns Majorat gibt es noch eine weitere romantische Erzählung, die sich mit dem Majoratsmotiv beschäftigt – nämlich die von Achim von Arnim. Erschienen im Taschenbuch zum geselligen Vergnügen im Jahr 1820 beschäftigt auch sie sich mit der Tradition des Majorats und wie diese verlorengeht.

Ein junger Majoratsherr kehrt zu seinem Wohnsitz, dem Majorat zurück, zieht es aber vor, in einer abgelegenen Wohnung zu wohnen, wo er die schöne Esther beobachten kann. Esther lebt bei der Jüdin Vasthi und wird von ihr sehr schlecht behandelt, weil sie eine adoptierte Christin ist. Nach und nach kristallisiert sich die komplexe Familienstruktur heraus. Esther scheint die Schwester des Majoratsherren zu sein, dessen leiblicher Vater erstochen wurde, nachdem der Vater Esthers herausfand, dass seine Frau mit einem anderen Mann schwanger war. Schließlich kommt es zum Eklat, als Esther erwürgt wird und der junge Majoratsherr zusieht. Er folgt schließlich dem Mädchen in den Tod und aus dem Majorat entsteht eine Salmiakfabrik, die Vasthi gekauft hat.

Wir hatten ja in dieser losen Serie nun schon die ein- oder andere romantische Erzählung, aber ich muss zugeben, dass mir keine so rätselhaft blieb, wie diese. Vielleicht liegt es an den Leseumständen – ich war verhältnismäßig unausgeschlafen, als ich dieses Büchlein las – oder einfach an der Struktur der Geschichte, ich hatte das Gefühl, ich bekomme vom Geschehen nur die Hälfte mit. Das liegt natürlich auch daran, dass in dieser Erzählung sehr viel mir Schein als Sein ist. Esther spielt dem jungen Majoratsherren ein beständiges Theater vor, er hört Schüsse, die es eigentlich gar nicht gibt und generell wird in dieser Novelle viel verschleiert.

Es gibt auch noch die parallele Geschichte von der Mutter des Majoratsherren, die sich an dem Vater Esthers (auch da bin ich mir unsicher) rächen will, indem sie seine Hand beständig verweigert und ihn dann nach dem Tod der beiden Kinder nur deswegen heiratet, um ihn so schlimm wie möglich zu quälen. Schließlich ist in der Geschichte irgendwie noch ein Anteil von vagem Antisemitismus, denn die Darstellung der Juden in der Geschichte ist alles andere als positiv, Vasthi ist die unsympathischste Figur der Erzählung.

Vor allem aber bleibt alles völlig vage. Und diese Vagheit dieser Geschichte ist auch ein ganz zentraler Gestaltungsaspekt. Der Tod der beiden bleibt ziemlich offen. Man könnte alles hineininterpretieren – was auch vom Publikum getan wird – außer dem Faktum des Todes könnte man am Text jede Vermutung widerlegen. Diese ganze Darstellung hat etwas sehr konstruktivistisches. Man hat das Gefühl, der Text hat zwei Realitäten, einmal eine rationale Weltsicht des auktorialen Erzählers, die sich aber im Verlauf der Erzählung sehr zurückzieht, sodass schließlich die subjektive Weltsicht des jungen Majoratsherren dominiert – und was jetzt Wahrheit oder das wirklich Geschehene ist, lässt sich nicht mehr herausfinden.

Ich muss ja sagen, ich mag konstruktivistische Geschichten grundsätzlich recht gerne, aber bei dieser hatte ich dann doch meine Schwierigkeiten. Es war wie gesagt für mich gar nicht so einfach, die verschiedenen Ebenen zu verfassen und zu verstehen, was jetzt gerade auf welcher Ebene passiert. Es ist sicherlich eine ziemlich kunstvolle Erzählung und die Erzählweise ist auch durchaus typisch für die romantischen Erzählungen.

Insgesamt war ich aber von der Geschichte nicht übermäßig angetan. Das Phantastische, was ich ja an der romantischen Erzählweise so gerne habe, kam der Geschichte kaum zum Ausdruck, lediglich der Tod spielt ein wenig mit diesen Elementen. Insgesamt war für mich auch der Stoff nicht wirklich spannend, diese Darstellung der Juden sagte mir nicht zu und ich war alles in allem nicht wirklich glücklich mit dieser Erzählung. Aus erzähltheoretischer Sicht hochspannend und für alle, die ein wenig die Herausforderung suchen, bestimmt eine gelungene Geschichte, hat Achim von Arnim – zumindest anhand der zwei Geschichten, die ich von ihm gelesen hatte – bisher aber nicht das Potenzial zu meinem Lieblingsautor. Ich gebe dafür dennoch mal gut und gerne 3/5 Sternen.

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