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Deutschland ein Wintermärchen – Heinrich Heine

k-P1010067‚Was für’n geiles Leben, ich mache Scheine, scheine, indem ich Reime reime so wie Henrich Heine‘ rappt Samy Sorge alias Samy Deluxe auf seinem Track Poesie Album. Was das mit dem oben beschriebenen Werk zu tun hat? Die Zeile stellt Heine als einen großen Poeten dar, der sehr virtuos reimen kann und Sorge vergleicht sich mit ihm. Wir kommen später darauf zurück.

Deutschland ein Wintermärchen ist ein sogenanntes Versepos, also eine erzählerische Dichtung, die seit dem Aufkommen der Romangattung ein wenig aus der Mode gekommen ist, in der Antike und im Mittelalter die Standardform für Erzählungen war. Heine erzählt hier in seinem Text über eine Reise, die der im französischen Exil lebende Schriftsteller im Winter 1843 unternahm, um dort seine Mutter und seinen Verleger zu besuchen. In der Schrift setzt er sich in satirischer Form mit der Situation im vorrevolutionären Deutschland auseinander. Er lästert über Pickelhauben in Augen, spottet über die Bemühungen, den Kölner Dom fertigzustellen, spricht mit dem ‚Vater Rhein‘, genießt die ‚altgermanische Küche‘ in Hagen, reist durch den Teutoburger Wald, hält ein fiktives Gespräch mit Barbarossa und besucht schließlich seine Mutter und seinen Verleger und im abschließenden Teil erscheint ihm die Schutzheilige Hamburgs und offenbart ihm das zukünftige Deutschland in seinem Zauberkessel – der aber scheinbar der Nachttopf Karls des Großen ist!

Ich hatte mit diesem Werk einige vergnügliche Stunden und das liegt im Wesentlichen an seiner Form. Es ist ein Versepos, aber es ist so unfassbar dilettantisch und unsauber gereimt, dass schon nach einigen Versen klar ist, dass es sich nur um eine Satire handeln kann – aber um eine auf höchstem Niveau. Heine bringt viele mittelalterliche Personen (Barbarossa, Karl der Große) in sein Epos, das auch von der Form her mittelalterlich wirkt, um über die aktuelle Situation in Deutschland zu schreiben. Allein das ist doch schon deutlich, oder? Heine setzt sich im Text und im Vorwort ausführlich mit der Zensur auseinander, indem er den Prozess der Zensur persifliert (beispielsweise in der Szene mit dem Nachttopf) und es wird eigentlich völlig offensichtlich, dass er die rückständige Staatsform des Deutschen Bundes ankreidet und sich damit mit den Zielen der liberalen Bewegung identifiziert. Wundert es jemanden, dass das Buch beschlagnahmt wurde und ein Haftbefehl gegen Heine erlassen wurde?

Denn dafür ist die im Buch geübte Kritik durchaus zu deutlich zu erkennen. Gut, das geschieht natürlich jetzt von mir aus den Augen eines modernen Menschen, für den Gesellschaftskritik etwas völlig Alltägliches ist, aber es ist schon offensichtlich, wenn Heine sein Kapitel über die deutsche Küche mit der Bemerkung schließt, dass man den Schweinekopf in Deutschland noch immer mit Lorbeer garniert oder wenn er über den – offensichtlich rückwärtsgewandten – Dombauverein spottet. Solche Spitzen ziehen sich durch das ganze Werk und tragen mit der Form sicherlich zu diesem satirischen Eindruck bei.

Es ist in der heutigen Zeit nicht so ganz einfach und eingängig, wie es zur Zeit des Vormärz gewesen sein mag, als die Anspielungen Heines offensichtlich waren. Ich war oftmals sehr dankbar darüber, dass die Reclam-Ausgabe recht ausführliche Anmerkungen mitliefert und dort einige Akteure und Zusammenhänge erklärt – gerade für nicht so geschichtsfeste Menschen wie mich (*hust*) ist das eine sehr sinnvolle Sache, wobei natürlich die groben Zusammenhänge (Deutscher Bund, Vormärzstimmung) auch hier vorausgesetzt werden.

Was bleibt also von Heine übrig? Heine reimt nicht so mehrsilbig verzweigt wie Samy Sorge. Aber Heine reimt seinem Anlass entsprechend. Wäre dieses Werk ordentlich gereimt, wären alle Knittelverse fein ausgereimt, würde es dem Charakter des Werkes nicht entsprechen. Heine reimt einfach und ‚volksnah‘, wie auch das Epos selbst ein absolut volksnahes Politikum ist. Dass Sorge zu ihm aufschaut ist nur allzu verständlich, gilt doch Heines Wintermärchen als Höhepunkt der Vormärzdichtung und wird heute mitunter als eines der 100 Bücher der Weltliteratur kanonisiert.

Völlig zu Recht finde ich und möchte diesem Werk daher gerne volle 5/5 Sternen geben. Nehmt euch mal ein Stündchen Zeit dafür und taucht mal ein in diese Welt des Vormärz. Natürlich gibt es auch diesen Klassiker kostenlos über das Gutenberg-Project – allerdings ohne die nützlichen Anmerkungen

 

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