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Der zweite Affe – Micha J. Alzt

k-2016-09-20-23-17-24Schon vor einiger Zeit flatterte die Rezensionsanfrage zu diesem Buch in meinen virtuellen Briefkasten und ich muss zugeben, ich habe das Buch einige Zeit vor mir hergeschoben. Das Thema des Buches ist nämlich nicht unbedingt etwas, was man als leichte Kost bezeichnen würde, es handelt sich nämlich um eine autobiografische Erzählung von jemandem, der als Strohmann in einer halböffentlichen Einrichtung saß und sich an Steuergeldern bereichert hat. Doch fangen wir am Anfang an.

Alzt ist Sohn eines Konservativen und gerät auf einmal in der Studentenzeit in eine Musiker-WG. Dort lernt er die Frau des Musikers kennen und gerät dann relativ bald in die Situation, dass er als Strohmann eine GmbH gründen soll, die eine Umweltforschungsakademie werden soll – was genau damit passieren soll, was da geforscht werden soll, ist ziemlich unklar, wie das finanziert werden soll, ebenfalls. Und generell ist das alles ziemlich vage, eigentlich soll die GmbH nur staatliche Fördergelder empfangen, um einige Organisationen zu entlasten. Zumindest scheint das der eigentliche Zweck sein. So richtig weiß das weder Alzt noch sonst jemand – so scheint es. Dennoch scheint es diese GmbH über einige Jahre zu schaffen, sich zu etablieren – dank ganz toller Begriffe, die natürlich sofort Begeisterung hervorrufen. Welche Regierung konnte auch wiederstehen, wenn man ihr die Bündelung von Forschungskapazitäten und Synergieeffekten vorschlägt. Und zu diesem Zweck braucht die Akademie natürlich ein Schloss, das aus EU-Fördergeldern beschafft und saniert wird. Das Blatt wendet sich allerdings nach einigen Jahren, sobald die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den neuen Bundesländern auslaufen. Wirtschaftlich selbsttragend wird die Akademie natürlich niemals und als dann der Strom von Fördergeldern versiegt, bleibt Alzt auf allem sitzen. Der Versuch, aus dem Schloss eine Privatschule zu machen, scheitert an den bürokratischen Vorgaben für die Visavergaben und so bleibt die Akademie und das Schloss ein riesiger Haufen verschwendeter Steuergelder und ein Einblick in die kruden Funktionsweisen des bürokratischen Herrschaftsapparates.

Zur Authentizität des Buches kann ich natürlich nichts sagen, es könnte natürlich alles eine Fiktion sein. Der Disclaimer im Impressum gibt darüber auch keine Auskunft, aber von der Plausibilität her kann ich mir das durchaus vorstellen. Das ein- oder andere Erlebnis, einige Charaktere oder gerade die Dialoge mögen tatsächlich erfunden sein, aber mir scheint es eine durchaus glaubwürdige Schilderung einer Ministerialbürokratie zu sein. Der Autorenname wirkt auch wie ein Pseudonym, das Buch bleibt immer so vage, dass die Zuordnung zu einem speziellen Ort oder Bundesland nicht möglich ist – vielleicht könnte man das mit etwas mehr Recherche auch durchaus noch belegen, aber ich würde einfach mal behaupten, dass es darauf gar nicht ankommt. Denn das, was dort passiert – eine massive Verschwendung von öffentlichen Fördergeldern in semiprivate GmbHs, der alltäglich bürokratische Irrsinn, bei dem der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeldern natürlich keine Rolle spielt, geschieht jeden Tag und überall. Ich hatte nie viel mit dem öffentlichen Dienst zu tun und werde mich hüten, hier die Klischeekeule zu schwingen, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass genau solche Sachen wie hier beschrieben, tagtäglich passieren. Die Ministerialbürokratie ist ein Apparat, den man als Außenstehender kaum begreifen kann – und natürlich passiert viel Politik genau dort, fernab jeder Legitimation.

Doch kommen wir mal zum Buch selbst. Es ist äußerst unterhaltsam und witzig geschrieben, es macht einfach Spaß, das Buch zu lesen. Eine schwere Lektüre war es auf keinen Fall, auch wenn ich jedes Mal geneigt war, den Kopf zu schütteln und den Glauben an das politische System zu verlieren. An manchen Stellen war es da mir dann fast schon ein bisschen zu viel des Guten und ich dachte mir ‚Was kommt denn jetzt noch‘ – es ist eben mit knapp 600 Seiten, wie es mein eBook-Reader anzeigt – ein ziemlich umfangreiches Buch. Es ist ein unterhaltsames Sachbuch, man sollte nicht immer alles zu ernst nehmen – dann liefert das Buch interessante Einblicke und ist – gerade, wenn man generell ein bisschen politikinteressiert ist (und wenn man wie ich als angehender Lehrer irgendwann mal im weitesten Sinne zu diesem öffentlichen Dienst gehören will), ist es ein kurzweiliges und spannendes Buch – es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte Alzt sich nach diesen vielen Jahren voller Frust und Stress diesen ganzen Unsinn von der Seele schreiben wollen. So in der Art beschreibt er auch seinen Schreibprozess, denn obwohl da Millionen den Besitzer wechselten und irgendwo versandet zu sein scheinen, ist bei Alzt davon nichts hängen geblieben, außer jeder Menge Erfahrungen.

Insgesamt ist das Buch absolut lesenswert. Vielleicht keine leichte Urlaubslektüre, aber ideal beispielsweise für lange Warteschlangen im Bürgeramt oder ähnliche Anlässe. Dafür gebe ich gerne 4,5/5 Sternen – denn gut geschrieben ist das Buch, vom Inhalt ganz zu schweigen, in jedem Fall. Die zahlreichen selbst eingeführten Begriffe sind vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber werden am Anfang erklärt und entwickeln sich dann durch das Buch hinweg zu zahlreichen Running Gags – zusammen mit den zahlreichen mehr oder weniger tagespolitischen Anspielungen wird das Buch dann auch richtig witzig.

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