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Der Untergang Europas: Vorbei und lange vergessen – Dietmar Kauscheder

k-WP_20151112_002Dietmar Kauscheder schrieb mich an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, sein Buch ‘Der Untergang Europas – Vorbei und lange vergessen’ zu rezensieren. Und weil das Genre interessant klang, war es für mich auch kein Hindernis, meinen eBook-Reader herauszukramen und frisch aufzuladen – und ich sagte zu.

Richtig im Trend sind ja im Moment Dystopien mit phantastischen Elementen, meistens als Jugendbuch verpackt – aber auch an klassischer Science-Fiction oder Zombieromanen herrscht kein Mangel. Was man aber beeindruckend selten findet, sind echte Zukunftsvisionen. Ohne übersinnliche Elemente oder Zombieviren, einfach eine düstere Zukunftsvision Europas. Diese baut Dietmar Kauscheder in seinem Buch auf:

Europa ist nach zahlreichen Schicksalsschlägen im 21. Jahrhundert dem Untergang geweiht. Massive Klimaveränderungen und die Polschmelze haben Europa halb untergehen lassen und halb in eine Steppe verwandelt. Die Gegend um die Ukraine ist nach Kernkraftunfällen unbewohnbar und durch einen Computervirus ist das gesamte, maschinell gespeicherte Wissen verlorengegangen und es kann nun einzig und allein auf Bücher zurückgegriffen werden. Die Anfang des Jahrhunderts diskutierte Reindustrialisierung scheiterte und so hat Europa nun nicht nur massive Probleme mit der Stromversorgung des Kontinents, sondern auch mit der Erzeugung von Rohstoffen. Es wirkt inzwischen so, als sei man größtenteils zu einem vorindustriellen Zustand zurückgekommen, durch die Auflösung der Europäischen Union und das Scheitern der Demokratien gewinnt nun die Friedenspolitik eine ganz neue Bedeutung.

In diese Situation hinein kommt Lukas, Sohn des österreichischen Monarchen, der immer wieder vom Hofe ausreißt, um die Welt draußen selbst zu erleben. Auf einem dieser Trips erzählt ihm eine gute Freundin, Karo, von ihrem Dorf, in dem Lukas’ seit Jahren verschleppte Schwester von ihren Entführern gegen Entlohnung der Dorfbewohner festgehalten wurde. Kurz darauf wird Karo entführt und Lukas beginnt mit einem ihm zugewiesenen Major die Suche nach ihr und den Spuren seiner Schwester.

Gleichzeitig lässt London zum Angriff blasen und setzt mit einigen Soldaten nach Frankreich über. Eine Gruppe von Veteranen löst sich jedoch von der Armee, da sie sich mit der etwas verschobenen Soldatenethik der Jungsoldaten nicht anfreunden können. Sie schließen sich mit französischen Jungen zusammen, die auf dem Weg nach Süden sind, um mit ihnen vor dem Krieg zu fliehen.

Parallel dazu finden im Osten Verhandlungen statt, ob Sankt Petersburg nicht dem Städtebund des Baltikums beitreten soll. Hier lernen wir Agneta kennen, die mit einem Jungenanbendelt, den sie im vergangenen Sommer kennenlernte, und dann aus heiterem Himmel zum Opfer der Verhandlungen zwischen den adligen Häusern wird.

Kauscheder unterteilt sein Buch in gut ein Dutzend Kapitel und in jedem Kapitel, das aus mehreren Abschnitten besteht, wechselt die aktuelle Perspektive. Was in diesem ersten Band allerdings noch nicht passiert, ist, dass die Stränge zusammengeführt werden. Am Ende des Bandes gibt es zwar noch einige Wendungen, aber was die drei Stränge miteinander zu tun haben, wird noch nicht deutlich. Hier bin ich auf die kommenden Bände gespannt.

Mir gefiel Der Untergang Europas ausgesprochen gut. Ich glaube, ich habe selten so eine interessante Zukunftsvision gelesen. Sehr gelungen finde ich die Beschreibung der Welt. Wir wissen am Anfag noch nicht genau, was alles passiert ist, werden aber kurz in die Geschichte eingeführt. Zu Beginn jeden Kapitels erfahren wir zusätzliche Details des historischen Ablaufes. Soweit ich das überblicken konnte, sind die geschilderten Ereignisse allesamt schlüssig, nachvollziehbar und ohne Widersprüche. Natürlich wirkt das alles etwas extrem pessimistisch und die Kombination der Ereignisse ist sicherlich unwahrscheinlich, aber die Ereignisse selbst sind allesamt durchaus denkbar.

Die Geschichte, der Plot, die Handlung des Buches waren klasse angelegt. Es liest sich wie eine abgefahrene Mischung aus historischem Roman und Science-Fiction. Die Verweise auf die Vergangenheit sind äußerst amüsant und mitunter erschreckend zu lesen, es ist mal beklemmend, mal amüsant zu lesen, wie die Gesellschaft in 75 Jahren aussehen könnte, aber ich fühlte mich in diesem Buch immer gut aufgehoben. Das liegt natürlich auch an den Charakteren. Die Charaktere sind lebendig beschrieben und man hat nicht das Gefühl, sie handeln plump und eindimensional, viel mehr wirkt es so, als wären die Charaktere allesamt vielschichtig und gut durchdacht – sonst hätten die Wendungen am Ende des Bandes auch nicht so gut gewirkt. Große Charakterentwicklung ist noch nicht entscheidend passiert, an einigen Stellen klingt das mal an – aber das ist für einen ersten Band, eine Exposition ja auch ganz natürlich; ich denke, hier werden die anderen Bände ansetzen.

Noch ein Wort zur Sprache: Der Sprachstil ist sehr angenehm zu lesen. Es hebt sich jetzt nicht, wie ein Hemmingway heraus, aber die Sprache ist funktional, gut beschreibend, das Buch ist ausreichend umfangreich um die Welt schlüssig zu beschreiben (es sind knapp 500 Seiten) und insgesamt war es einfach jederzeit gut zu lesen, anspruchsvoll, aber nicht überfordernd und sehr zugänglich.

Insgesamt gefiel mir Der Untergang Europas ausgesprochen gut, es war eine klasse Geschichte, ein sehr guter erster Band und mal etwas neues im Dystopien-Einheitsbrei. Eine erfrischende Idee mit dem richtigen Maß zwischen Beklemmung und Unterhaltung, für die ich gerne 4,5/5 Sternen gebe. Und dass ich hier einen Indie-Autor und kein Buch eines großen Verlags lese, hatte ich nach den ersten Seiten schon vergessen. Ich freue mich schon auf den zweiten Band.

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