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Der schwarze Mond – Gabriele Beyerlein

Ich bin ja immer für hübsch gemachte Kinder- und Jugendbücher zu haben, nicht nur, weil mir das für meinen späteren Beruf gut tut, wenn ich da über einen gewissen Fundus verfüge, sondern auch, weil schöne Kinderbücher auch toll zu lesen sind und eigentlich immer ein paar entspannte Lesestunden garantieren. Das heutige Buch stammt von einer Autorin, von der ich noch nicht viel gehört habe, obwohl sie offenbar in meiner Stadt wohnt. Es wurde seit seinem Erscheinen vor 16 Jahren mehrere Male neu aufgelegt und ist inzwischen wieder als Independent-Veröffentlichung erhältlich.

Unser Protagonist heißt Jens, ist 10 Jahre alt und gerade in eine neue Stadt gezogen, in der er noch niemanden kennt. Er beobachtet schließlich drei Jungs beim Spielen und als diese Jungen dann auf dem Flohmarkt noch seltsame Gegenstände kaufen, folgt er ihnen heimlich in den Wald und gelangt durch einen Brunnen dort in eine andere Welt. Nachdem er zuerst vom Medicus gefangen genommen und vom Elfenkönig befreit wurde, erfährt er, dass in dieser Welt ein Herzog herrscht, der die Macht von der Königin an sich gerissen hat – mit Hilfe des Medicus! Jörg wirkt wie der Erfüller einer alten Prophezeiung, nach der ein Junge von außerhalb, die Zwillinge der Königin aus der Macht des Herzogs befreien und ihr damit wieder die Macht über ihr Reich zurückgeben soll. Wie Jens das anstellen soll, weiß er auch nach einem Besuch der Königin und mit hilfreichen Gegenständen des Elfenkönigs nicht. Auch als er drei mutige Ritter findet, wird das nicht klar. Doch als ihm dann sein Doppelgänger begegnet, er ein kleines Wechselspiel spielt und sich schließlich in einer knallharten Ausbildung zum schwarzen Ritter befindet, wird es brenzlig für Jens – doch so nah war er den Zwillingen noch nie zuvor.

Man spürt es dem Buch mit jeder Seite und man liest es auch meiner Inhaltsangabe unweigerlich an – Beyerleins Roman ist ein Kinder- und Jugendbuch. Es wird ab 11 Jahren empfohlen und liest sich auch genauso. Das ist gar nicht negativ gemeint, aber anders als Kinder- und Jugendbücher, die zu den besonders gelobten gehören und auch häufig von Erwachsenen gelesen werden – Michael Endes Titel mögen dafür als Beispiel herhalten – zielt dieses Buch mehr auf Kinder und auch auf jüngere Kinder ab. Es ist sprachlich recht modern gehalten und es ergibt sich dann ein schöner Kontrast von Jens moderner Jugendsprache mit der altertümelnden Sprechweise in der Parallelwelt.

Recht deutlich – zumindest für den erwachsenen Leser – wird im Buch auch eine gewisse Moral: Ein Mann muss nicht immer gefühlskalt und stark sein, denn wahre Helden dürfen auch mal weinen. Grundsätzlich ist das keine innovative Moral, könnte man meinen, aber es ist doch ein Modell, dass in den Köpfen vieler Jungen verwurzelt ist, dass sie keine Schwäche zeigen dürfen. Und da die Moral dem Buch nicht plump übergestülpt wird, sondern sinnvoll in eine plausible Geschichte eingewoben ist, gefällt mir ausgesprochen gut.

Dabei ist nichts an dem Buch wirklich neu. Der Weltenübergang hat schon etwas vom berühmten Kleiderschrank nach Narnia, die dortige Welt ist eine relativ normale Fantasy-Location, die Moral ist auch nicht unbedingt eine neue Idee und auch das Motiv des Frisch-Zugezogenen, der noch über kein soziales Netz verfügt und sich so in eine andere Welt verirrt, ist auch keine neue Idee, die man noch nirgendwo gelesen hat. Beyerlein spielt mit bekannten Motiven aus der Jugendliteratur und setzt sie in guter, angenehm zu lesender Form um.

Für einen 10-jährigen mag ein 300 Seiten langes Buch vielleicht etwas abschreckend wirken, es liest sich jedoch wirklich schnell und flüssig und es wirkt auch nicht wie eines der klischeehaft auf möglichst jugendlich getrimmten Bücher, die von Kindern und Jugendlichen dann meistens verschmäht werden. Es ist aber auch keines der Bücher, die man als Erwachsener unbedingt lesen muss, weil sie so berührend, so wundervoll oder so magisch sind, dass sie Kinder und Rentner zusammen vor ein Buch bewegen können. Beyerlein hat mit „Der schwarze Mond“ ein Buch geschrieben, das Kinder mit phantastischen Welten in Berührung bringt, ihnen noch ein gewisses Wertesystem mit auf den Weg gibt und das sich sicherlich gut im Bücherregal eines Mittelstufenschülers macht. Alleine, weil es durch die verschiedenen Sprachregister das Sprachbewusstsein und den Wortschatz der Kinder erweitert. Ich gebe 3,5/5 Sternen für ein gelungenes aber nicht umwerfendes Kinderbuch und bin froh, es mal in meinem Kanon mit aufgenommen zu haben.

 

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