Permalink

0

Der Sandmann – E.T.A. Hoffmann

Mal wieder Hoffman. Mal wieder die Nachstücke. Und zwar mit Abstand die bekannteste Erzählung von Hoffmann. Der Sandmann wird in vielen Schulen schon als Schullektüre gelesen, auch wenn ich es für jüngere Schüler durchaus noch etwas anspruchsvoll finde, ist es spätestens ab der Oberstufe ein Text, der nicht nur spannend zu lesen ist, sondern auch noch im Unterricht enorm viele Möglichkeiten bietet. Entsprechend gut ist der Text im wissenschaftlichen Kontext rezipiert. Man könnte sagen, dass jeder Wissenschaftler, der etwas auf sich hält, schon mal etwas zum Sandmann geschrieben hat. Keine Literaturtheorie wurde nicht auf ihn angewendet, es gibt Opern, Ballette, Konzeptalben, Verfilmungen – und ich würde nicht dagegen wetten, dass es auch eine Musicaladaption gibt.

Aber worum geht es? Nathanael studiert momentan und erinnerte sich nach dem Besuch eines Wetterglashändlers an eine Episode aus seiner Kindheit, wie der als Sandmann bezeichnete Coppelius mit seinen alchemistischen Experimenten den Tod seines Vaters ausgelöst hat – seine Verlobte bietet ihm zwar rationale Erklärungen an und er kann schließlich seinen Besuch bei ihr auch genießen, wird aber dieses Gefühl nicht los. Zurück an seinem Studienort trifft er schließlich auf Olimpia, ein Mädchen, die auf ihn so vollkommen wirkt, dass er sogar ein Vergrößerungsglas beim mysteriösen Wetterglashändler kauft, auf einer Feier mit ihr tanzt und alles über sie vergisst, obwohl alle seine Freunde sie darauf hinweisen, dass sie völlig mechanisch wirkt. Er will um sie werben, gerät dabei jedoch in den Kampf um Olimpia zwischen Coppelius (der tatsächlich der Wetterglashändler ist) und dem Professor, der sie der Öffentlichkeit vorstellte.  Er erkennt nun auch, dass sie lediglich eine Holzpuppe ist und verliert völlig den Verstand, sodass er sich in den Tod stürzt.

Ich weiß noch, dass ich diese Erzählungen vor einigen Jahren gelesen hatte und damals noch nicht wirklich verstand, was gerade passiert und wie das alles abläuft, ich war ziemlich beeindruckt und irgendwie fasziniert von dieser Schreibweise. Heute – mit mehreren Dutzend romantischen Erzählungen im Gepäck – ist das Ganze keine Herausforderung mehr für mich und es ist faszinierend zu sehen, wie ich mich in den letzten Jahren entwickelt habe.

Was die romantischen Erzählungen angeht, so ist der Sandmann sozusagen ein romantischer Rundumschlag. Es hat einen Grund, warum es jeder analysiert. Wir haben in der Anekdote der Kindheit ein klares phantastisches Element, die Holzpuppe erinnert an andere techno-romantischen Fantasien (Die Automate) und ist mal wieder ein Beispiel dafür, dass es phantastisch wird, wenn Vergangenheit (Anekdote) oder Zukunft (technische Wesen) auftreten. Erzählerisch ist die Geschichte total komplex. In drei einführenden Briefen wird die Hintergrundgeschichte erzählt, die ein Erzähler aus seinem privaten Fundus wiedergibt, er habe sie von seinem Freund Lothar bekommen, Lothar ist ein Adressat eines Briefes.

Ich würde hier mal die Frage anstellen, wie es sich mit den Namen bei Hoffmann verhält. Es wird spekuliert, dass Lothar in den Serapionsbrüdern für Chamisso steht – ist das derselbe Lothar wie in den Serapionsbrüdern? Auch in den anderen Nachstücken finden ich immer wieder Namen, die auch Jahre später zum Kreis der Serapionsbrüder gehören.

Weitere beliebte Motive, die analysiert werden, sind die Augen. Es geht dauernd um das Sehen, dann kommt der Glashändler mit seinen Brillen, schließlich findet Nathanael am Ende die künstlichen Augen des Mädchens. Auch über das Frauenbild könnte man einiges sagen – und schließlich wird auch das Feuer immer mal wieder zum Thema.

Ich mag die Geschichte um Nathanael sehr gerne. Es ist ein Musterbeispiel romantischen Erzählens. Vielleicht ist es auf Anhieb nicht so ganz offensichtlich, was da alles drinne steckt – aber wenn man nur eine romantische Erzählung lesen möchte und möglichst viel vom Geist dieser Gattung mitbekommen möchte, bietet sich der Sandmann in jedem Fall an. Ich vergebe mal 4,5/5 Sternen – und muss zugeben, dass ich die Höchstwertung nur deshalb nicht verteile, weil ich persönlich noch andere Geschichten von Hoffmann kenne, die ich noch einen Tick besser fand. Aber das ist nur mein persönlicher Geschmack.

 

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.