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Denksport Deutsch – Daniel Scholten

k-2016-10-11-11-46-48Der Untertitel dieses Buches lautet „Wer hat bloß die Gabel zur Frau und den Löffel zum Mann gemacht“. Geschrieben wurde es von Daniel Scholten, einem Schriftsteller, Autor von Kriminalromanen und Sprachwissenschaftler. Studiert hat er unter Anderem historische Sprachwissenschaften und gegenwärtig ist Scholten Produzent des Podcasts „Belles Lettres“, den ich bereits seit einigen Jahren immer wieder gerne höre.

Es passiert so ein oder zweimal im Jahr, dass ich mir ein Buch zum Vollpreis, neu, im Laden und nahe am Erscheinungstermin kaufe. Als Scholten in seinem Podcast vor einigen Monaten enthüllte, er habe auf Grundlage des Podcasts ein Buch geschrieben, wusste ich, dass ich das Buch haben muss. Denksport Deutsch ist ein Buch, das sich selbst irgendwo zwischen Stilratgeber und Sprachwissenschaft einordnet. Es ergründet das Fundament der deutschen Sprache und erklärt einige Phänomene von Grund auf.

Ich kann an dieser Stelle keine großartige Zusammenfassung liefern, aber ich kann zumindest mal ausschnittsweise andeuten, worum es grundsätzlich geht. Im ersten Teil arbeitet sich Scholten am Genussystem ab. Ausgehend von einem Zitat von Mark Twain, dass das deutsche furchtbar sei, weil die Gans ein Geschlecht habe und das Mädchen nicht. Scholten geht bis zum Beginn der Sprachlichkeit zurück, arbeitet sich in allen Sprachstufen ab und erklärt die Entstehung des Genussystems und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. In weiteren Teilen geht es um gutes Deutsch und warum Genitive nicht zwingend dazugehören, um den Konjunktiv und schließlich um einen Ausblick, ob beispielweise, wie gemeinhin behauptet die deutsche Sprache vor dem Aussterben steht oder ob die starken Verben auf dem Rückzug seien – und ich denke, es ist kein Spoiler zu sagen, dass sie das nicht sind.

Scholten hat eine Prämisse, anhand der er alle seine Stilempfehlungen aufstellt: Die Sprache ist dann vollkommen, wenn sie aus dem Sprachzentrum kommt. Sobald man anfängt, über das, was man sagt oder schreibt, nachzudenken, passieren Fehler. Alle Muttersprachler haben ein Sprachgefühl, das kann man durchaus trainieren, aber es mit Informationen aus dem Verstand zu überschreiben, ist keine gute Idee.

Ich muss sagen, ich mochte das Buch sehr gerne. Für mich als aktiven Podcasthörer waren viele Sachen schon bekannt und sind nun hier nochmal in komprimierter Form zum Nachlesen. Einzelne Folgen, denen im Podcast eine ganze Stunde gewidmet wurde, werden hier in ihrer Essenz wiedergegeben und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet. Scholten geht dabei nicht wissenschaftlich im Sinne von massenhaft wissenschaftlicher Literatur, die verarbeitet wurde, vor, sondern erklärt es anhand von historischen Herleitungen. Die klingen allesamt sehr plausibel, aber sind nicht wirklich einfach nachprüfbar. Direkt an ein akademische Publikum richtet sich das Buch also nicht, es geht eher an interessierte Laien, die sich aber im Idealfall schon einige Grundlagen mitbringen, denn das Buch ist zwar einfach und gut zugänglich geschrieben, die Themen sind aber nicht so einfach, dass man es gut nebenbei lesen kann. Es ist eben ein Buch zum Mitdenken und eines, bei dem man auch wirklich mitdenken muss, ansonsten sieht man nur die präsentierten Fakten, versteht sie aber nicht. Und eine Stilregel, die man nur befolgt, aber nicht versteht, ist nichts wert, weil man dort nur blind einer Ideologie nachfolgt – so kritisiert das Scholten selbst und so muss man dieses Buch auch mehrmals lesen.

Bei mir ist einiges hängen geblieben, aber dennoch werde ich das Buch vermutlich nochmal lesen müssen, um wirklich alles zu verstehen. Zum Buch selbst muss man auf jeden Fall noch die tolle Gestaltung loben. Mit zahlreichen Karten, Tabellen und Textstellen aus Handschriften werden viele angesprochene Aspekte nochmal visualisiert und zugänglicher gemacht, es werden viele Hintergründe über die Sprachgeschichte erklärt und es ist in jedem Fall ein guter Ansatz, um all den Ideologien, der überreizten Sprache und den ganzen kruden übersteigerten Ausdrücken des Journalismus entgegen zu wirken. Ich gebe auf jeden Fall mal 4,5/5 Sternen für dieses Buch, einen kleinen Abzug vielleicht dafür, dass die Zielgruppe etwas unklar ist. Ohne ein gewisses Grundwissen und ein Grundverständnis von Sprache, hat man vielleicht Schwierigkeiten, dem Buch zu folgen – aber wenn man sich darauf einlässt, dann erfährt man einiges über die eigene Muttersprache. Und diese Erkenntnisse sind nicht bloß triviale Hintergrundinfos, sondern schaffen wirklich ein völlig neues Bewusstsein für Sprache.

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