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Das blaue Karfunkel – Arthur Conan Doyle

Die heutige Geschichte kommt mal wieder ohne Leichen aus – zumindest ohne menschliche. Wir sind inzwischen in der Mitte des ersten Kurzgeschichtenbandes angekommen und lesen immer neue Fälle, in denen immer deutlicher wird, dass Watson eigentlich nur als Chronist auftritt.

Am zweiten Weihnachtstage besucht Watson seinen Freund Holmes, der gerade per Zufall an einen neuen Fall gekommen ist. Ein Portier bringt einen Filzhut und eine Gans zu Holmes, ein gewisser Henry Baker ließ dies bei seiner Flucht nach einem Überfall fallen. Doch in der Kopf der Gans findet Holmes einen blauen Edelstein, der kürzlich der Gräfin von Morcar gestohlen wurde. Holmes gibt eine Annonce auf, um Henry Baker zu finden, der auch auf die Annonce antwortet und in die Baker Street kommt. Er nimmt freudig eine von Holmes beschaffte Ersatzgans an, sodass Holmes davon ausgeht, dass jener von dem versteckten Stein nichts wusste. Holmes fragt noch beiläufig, wo denn diese tolle Gans herkomme und erfährt so über Umwege eines Wirtshauses vom Verkäufer der Gans und dank einer Wette verrät dieser auch die Herkunft des Getiers. Doch auf dem Weg dorthin spielt Holmes der Zufall in die Hände und er ist in der Lage, den Fall ohne weitere Umwege zu lösen.

Wir haben hier mal ein völlig neues Motiv. Kein Mordfall will gelöst werden, sondern ein schon einige Tage vermisster Stein taucht zufällig in einer Gans auf! Mal davon abgesehen, dass das durchaus eine gewisse Tierquälerei dargestellt, finde ich die Idee durchaus gelungen; aus heutiger Sicht muss man konstatieren, dass es sich um einen recht klassischen Bau handelt, dass der erste Verdächtige recht schnell als unschuldig enttarnt wird und dann findet sich zufällig bald ein neuer Verdächtiger. Aus heutiger Sicht erscheint mir das alles etwas viel des Zufalls, dass sich das alles so perfekt aneinanderreiht, wirkt schon arg konstruiert, wenn auch Watson natürlich versucht, eine gewisse Authentizität des Falls zu beschwören – diese gelungene Arbeit mit der Erzählerfiktion ist etwas, was ich glaube ich, noch zu wenig erwähnt habe:

Conan Doyle erfindet Watson als Erzählerfigur, er führt in die Fälle ein und berichtet von diesen Fällen, beschwört ihre Wahrhaftigkeit und kommentiert die Geschehnisse; Holmes selbst wird also nicht durch Doyle quasi „erster Hand“, sondern nur mittelbar durch den Erzähler charakterisiert. Diese eigentümliche Erzählform könnte man auf eine Tradition der deutschen Romantik zurückführen, in denen diese Herausgeber- oder Erzählerfiktionen ein beliebtes Mittel zur Steigerung der Authentizität waren – und auch heute noch verfehlt dieses Mittel seine Wirkung nicht.

Zur heutigen Geschichte kann ich ansonsten nur noch ergänzen, dass sie mir gut gefallen hat, sie hatte tatsächlich auch mal einige Seiten Zeit, sich zu entfalten, wobei ich mir wie immer wünschen würde, dass die Geschichten etwas länger wären – aber das liegt einfach daran, dass ich noch immer nicht der größte Kurzgeschichtenfan bin. Im vorgegebenen Rahmen aber fügt sich die Geschichte ziemlich gut ein und zeigt mal wieder ein neues Motiv, in dem Holmes ermitteln kann. Ich gebe also im diesem Sinne und im Rahmen einer Kurzgeschichte gute 4/5 Sternen – wobei ich mir noch immer etwas mehr Beteiligung von Watson wünschen würde. Ob Doyle meine Bitten jemals erfüllen wird?

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