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Beastly Things – Donna Leon

Cover von Kartenhaus

 

Meine Beziehung zu dieser Autorin ist ziemlich wechselseitig. Einige Krimis von dir, die ich zuerst auf Deutsch las, gefielen mir nicht wirklich gut, dann kam vor etwas weniger als einem Jahr mit The Golden Egg der Wendepunkt, seitdem ich mich – gerade auf Englisch – mit dem Stil gut anfreunden kann. Und von diesem Wandel war auch mein Leseerlebnis zu Beastly Things geprägt, das ich zufällig in einer Art Outlet-Store für Bücher zum kleinen Preis erstand.

Brunetti stößt auf eine Leiche im Kanal, die jedoch dort nicht ertrunken ist, sondern vorher erstochen wurde, ein Selbstmord ist ausgeschlossen. Es handelt sich bei diesem Mann um einen Tierarzt, der – von seiner Frau getrennt lebend – zusätzlich nebenher in einem Schlachthof gejobbt hat. Seine Reputation als Tierarzt war grundsätzlich sehr positiv, seine Frau lässt kein Mordmotiv erkennen, also geht Brunetti mit seinem Assistenten auf Spurensuche im Schlachthof. Und nicht nur, dass dieses Erlebnis dort für beide Seiten sehr einschneidend ist, stoßen sie dort auch auf seltsame Verschlossenheit…

Um das Ende nicht zu verraten, schreibe ich an dieser Stelle – wie gehabt – nicht weiter, ich denke Richtung und Motive dieses Bandes werden so ganz gut ersichtlich und ich kann ein bisschen was dazu erläutern, ohne alles verraten zu wollen.

Wie der Titel schon andeutet, geht es viel um Tiere – und das ist auch das, was im Subtext etwas mitschwingt und mitunter konkret wird, wenn es um Brunettis Familie und die zwischenmenschlichen Dialoge geht. Die Frage nach der Qualität unseres Fleisches, die Frage, ob man Fleischkonsum moralisch vertreten kann und die Frage, warum Fleisch überhaupt gegessen wird, schwingen immer ein bisschen mit, aber es wird im Allgemeinen wenig dazu klar Stellung bezogen, sondern vielmehr werden Denkanstöße geliefert. Das finde ich auch ganz gut so gelöst, ich mag es nicht, wenn Menschen anderen Menschen ihre Essenskulturen aufoktroyieren möchten; dennoch ist Fleischkonsum ein spannendes Thema, über das man sich mal Gedanken machen sollte.

Die Storyline selbst ist relativ typisch für einen Krimi, erst wird in alle Richtungen ermittelt, später wird es dann konkreter, es verdichtet sich, die Tatmotive werden deutlicher und schließlich werden die Täter ergriffen. Das ist auch durchaus gut und spannend umgesetzt, krankt ein wenig an den üblichen Problemen eines Krimis (kontinuierliche Spannung, Vorhersehbarkeit), aber ist im Grunde gutes Handwerkszeug. Da spürt man die Routine der Autorin, die ja immerhin schon seit Jahrzehnten Krimis schreibt.

Was mir dieses Mal ziemlich gut gefallen hat, war, dass weniger Wert auf Beschreibungen der Stadt Venedig und deren typischer Probleme gelegt wurde, sondern, dass ein wenig (ja fast schon wörtlich) über den Tellerrand hinaus geschaut wurde, es war ein Schlachthof mit dabei, es ging um eine Tierarztpraxis, nicht so sehr um eine Auflistung von Cafés und und Restaurants, wie das in der Serie gerne mal der Fall ist.

Natürlich kommen die Seriencharaktere gut zu tragen, auch hier merkt man, dass die Autorin sich eben schon seit 20 Jahren mit ihren Charakteren auseinandersetzt, die Charaktere handeln absolut schlüssig und nachvollziehbar, ganz typischerweise wird mit unkonventionellen Methoden ermittelt, ganz typisch auch die Ohnmacht der Polizei gegenüber Korruptionsfällen und ähnlichen Machtmissbrauchshandlungen der Politik – all diese Aspekte klingen ein bisschen an, ohne jetzt den Bogen zu überspannen.

Würde man ein Wort für diesen Krimi suchen, träfe es ausbalanciert am besten. Ein bisschen Spannung, ein bisschen Gesellschaftskritik, ein bisschen Privatleben von Brunetti – diese und noch viele weitere Zutaten sind gut abgeschmeckt in einen Topf geworfen worden und am Ende kommt ein Krimi raus. Es ist ein bisschen so, wie bei dem Kuchen von der Oma. Er schmeckt seit 20 Jahren so, wie er schmeckt und das ist es, was ihn so besonders macht. Da gibt es keine kulinarischen (bzw. literarischen) Experimente, sondern leckeres Backhandwerk, keine postmoderne Dramatik, sondern ganz altmodisches Zusammenbauen von Krimis. Wer sowas mag, sollte hier unbedingt zuschlagen, aber es ist auch einfach so mal eine nette Sache. Ich gebe gerne mal 4/5 Sternen und wenn ich mal wieder einen Donna-Leon Krimi finde, schlage ich bestimmt zu.

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