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Archipel – Inger-Maria Mahlke

Endlich rezensiere ich hier den Gewinner des deutschen Buchpreises 201. Inger-Maria Mahlke gewann mit ihrem Roman Archipel – entgegen meiner persönlichen Präferenzen. Dennoch habe ich das Buch unmittelbar nach der Preisverleihung gekauft, einige Wochen später war es dann nachgedruckt und ich hatte schließlich ein Exemplar. Ich habe dann im Dezember angefangen, es zu lesen, aber es streckte sich schon bis Mitte Januar hin, bis ich das Buch abgeschlossen habe. Ich glaube, daran wird immer schon deutlich, dass ich nicht so begeistert bin. Aber kommen wir erst zum Inhalt:

Im Zentrum des Romans steht Julio Baute, der inzwischen 95 Jahre alt ist und in einem Altenheim die Eingangstür beaufsichtigt, obwohl er lieber die Tour de France schauen möchte. Wir befinden uns auf Teneriffa und reisen durch die Zeit. Eine Politikerin muss sich verstecken, weil ein Korruptionsskandal aufgedeckt wird. Die Franco-Zeit und ihre Folgen sind omnipräsent für die Protagonisten, auf sie lässt sich alles zurückführen. Wir reisen zurück in der Zeit und verfolgen die Famile der Bautes zurück, die Familie der Bernadottes und ihre Schnittpunkte sowie die Familie der Hausmädchen, die in den Familien arbeiten. Die Lehre dieses Strangs ist klar: Als Tochter eines Hausmädchens geboren, in den Beruf hineingelebt, immer ein Hausmädchen geblieben. Schließlich geht es zurück zur Franco-Diktatur, wie sich durch den Aufstieg die Farben der Insel verändert haben, wir gehen aber ziemlich zügig noch zurück bis zum zweiten Weltkrieg und zur spanischen Revolution und landen schließlich im Jahr 1919, bei der Geburt von Julio Baute.

Ich habe echt Schwierigkeiten, den Inhalt des Romans nachzuerzählen, wie ihr sicherlich merkt. Das liegt einfach daran, dass man immer wieder aus der Zeit gerissen wird. Ich habe mich gerade mit der Gegenwart angefreundet und mich eingefühlt und dann springen wir 20 Jahre zurück und alle Charaktere sind anders. Das fand ich ziemlich schwierig, weil man so zwar irgendwie die Atmosphäre auf der Insel mitbekommen hätte, aber mit den Charakteren konnte ich dann nicht wirklich warmwerden – auch die Famliendynamiken fand ich schwierig, weil es zu häufiges Umgewöhnen war und ich ständig nachschlagen musste, wer jetzt nochmal wer war. Das Personenverzeichnis am Anfang des Buches habe ich auf jeden Fall gebraucht.

Sprachlich war das Buch großartig. Ich verstehe, warum man ein solches Buch mit dem Buchpreis auszeichnet, denn die Sprache des Buches war wirklich beeindruckend. Mit teilweise sehr detaillierten und dann wieder ziemlich gerafften Bildern und klarer Sprache beschreibt sie die eigentümliche Atmosphäre auf dieser Insel und schafft es durchaus, ein gewisses Portrait der Insel zu zeichnen. Das gelingt auch und es ist insgesamt sehr ästhetisch, dieses Buch zu lesen. In Rezensionen wurde vielfach kritisiert, dass das Buch sehr langweilig sei und das liegt einfach am anti-chronologischen Erzählen, das wirkliche Spannungsbögen nicht erlaubt. Was mich aber viel mehr stört: Ich möchte mehr! Ich möchte wissen, wie es weitergeht! Das Buch wirft nur einige Schlaglichter auf die Figuren. Aber wie geht es denn jetzt in den einzelnen Epochen weiter und wie sind die Wege der Figuren dazwischen? Ich wünsche mir in genau diesem Stil geschrieben einen chronologisch erzählten 1000-Seiten Roman über die Familien!

Gut, Literatur ist kein Wunschkonzert, aber ich kann einiges von der Kritik nachvollziehen, die geäußert wurde. Ich habe den Roman ausschließlich gelesen, weil er den Buchpreis bekommen hat – ich kann die Verleihung ästhetisch nachvollziehen, muss aber zugeben, dass mir die Bücher der letzten beiden Jahre deutlich besser gefallen haben, weshalb ich diesem Buch mal nur 3,5/5 Sternen gebe.

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